Schalen-Element
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: shell element Kategorie: Level 2 Theorie
Ein Schalen-Element ist ein Element-Typ der Finite-Elemente-Methode, mit dem ein dünnwandiges Bauteil strukturmechanisch simuliert werden kann. Schalen-Elemente werden im Raum angeordnet und in 3-dimensionalen Anwendungen eingesetzt. Einem Schalen-Element liegen bestimmte Annahmen zugrunde. (Im Vergleich dazu wird mit einem Volumen-Element das 3-dimensionale Bauteil-Verhalten sehr realitätsnah abgebildet.)
Weil ein Schalen-Element flach und eben ist, wird es oftmals (aber zu Unrecht) auch als ebenes Element angesehen. Achten Sie dazu auf das Verhalten normal (senkrecht) zur Ebene des Elementes, wie es hier folgend bei den Grundlagen beschrieben wird.
Für Temperaturfeld-Simulationen sind Schalen-Elemente unüblich und von geringem Nutzen. Diese Anwendungen werden hier nicht betrachtet.
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Grundlagen
Allgemeine Informationen hierzu finden Sie zum Beispiel bei wikipedia:Schalentheorie. Der hier dargestellte Element-Typ des Schalen-Elementes folgt weitgehend der dort beschriebenen klassischen Schalentheorie (gegenüber dem Degenerationskonzept). Generell geht es hier um ein 3-dimensionales Element, das in zwei Richtungen (der Schalen-Ebene) "normale" Abmessungen hat und in der dritten Richtung (der Dicken-Richtung) besondere Eigenschaften hat (zum Beispiel deutlich kleinere Abmessungen hat), die durch bestimmte Annahmen zu den Deformationen in Dickenrichtung beschrieben werden können.
- Bei der klassischen Schalentheorie wird die Ausdehnung in der Dicken-Richtung mit bestimmten Annahmen reduziert, so dass ein flächiges Element in der Schalen-Ebene als Modell übrig bleibt (Mittelflächen-Modell).
- Beim Degenerationskonzept wird ein 3-dimensionales Modell erstellt. Erst bei der Erstellung der Zahlenwerte der Elementsteifigkeitsmatrix während der Lösung werden bestimmte Annahmen für die Dicken-Richtung angewendet. (Siehe dazu das SolidShell-Element.)
Generell sind folgende Begriffe für dünnwandige Bauteile zu unterscheiden:
- Platten (Platten-Element): dies sind Bauteile, die (in ihrer gesamten Ausdehnung) eben sind und nur quer zu dieser Ebene belastet werden. Typisches Beispiel ist eine Decke eines Hauses. Für die Simulation mit der FEM sind Schalen-Elemente geeignet. Dann kann der Berechnungsaufwand verringert werden, indem für diesen Anwendungsfall nur das Platten-Tragverhalten der Schalen-Elemente ausgewählt (und das Scheiben-Tragverhalten ausgeschaltet) wird.
- Scheiben (Scheiben-Element): dies sind Bauteile, die (in ihrer gesamten Ausdehnung) eben sind und nur in dieser Ebene belastet werden. Typisches Beispiel ist die Wand eines Hauses. Für die Simulation mit der FEM sind Schalen-Elemente oder auch ebene Elemente geeignet. Dann kann der Berechnungsaufwand verringert werden, indem für diesen Anwendungsfall nur das Scheiben-Tragverhalten der Schalen-Elemente ausgewählt (und das Platten-Tragverhalten ausgeschaltet) wird.
- Schalen (Schalen-Element): dies sind Bauteile, die dünnwandig sind und sowohl in der Ebene dieser dünnen Wand und quer zu dieser Ebene belastet werden (sozusagen Scheibe plus Platte). Typisches Beispiel ist ein Stahl-Mast für die Bahn-Oberleitung. Für die Simulation mit der FEM sind Schalen-Elemente geeignet. Die Schalen-Elemente sind hierbei jeweils für sich eben, aber benachbarte Elemente sind anders im Raum ausgerichtet. Es sind also dünnwandige, 3-dimensional im Raum angeordnete Elemente.
- Membranen (Membran-Element): dies sind Bauteile, die dünnwandig sind und nur in der Ebene dieser dünnen Wand belastet werden (also NICHT quer zu dieser Ebene). Typisches Beispiel ist die Wandung eines Ballons. Für die Simulation mit der FEM sind Schalen-Elemente geeignet. Die Schalen-Elemente sind hierbei jeweils für sich eben, aber benachbarte Elemente sind durchaus anders im Raum ausgerichtet. Es sind also dünnwandige, 3-dimensional im Raum angeordnete Elemente. Eine räumliche Tragwirkung ergibt sich nur dadurch, dass sich eine Art "Kettenlinie" ausbildet. In der FEM-Simulation ist hierbei eine Geometrie-Nichtlinearität gegeben.
Simulation
Die folgenden Hinweise beziehen sich zunächst auf Schalen-Elemente, die bei Anwendungen der Strukturmechanik zum Einsatz kommen.
Die Ansatzfunktionen werden für das Verhalten in den beiden Richtungen der Schalenfläche aufgestellt. Dabei werden durchweg die Koordinatenrichtungen der Schalenfläche zugrunde gelegt. In dieser Hinsicht haben die Schalen-Elemente eine Scheiben-Tragwirkung (siehe unten). Zusätzlich zu den möglichen Verformungen in der Schalenfläche werden aber auch quer zur Schalenfläche Verformungen berücksichtigt. Damit hat das Schalen-Element zwar eine flächige geometrische Form, es liegt aber beliebig im Raum und kann sich räumlich verformen. Im allgemeinen werden die Ansatzfunktionen für die Verschiebungen und die Verdrehungen der Element-Ecken aufgestellt. Für das Einsetzen der Steifigkeitswerte des Schalen-Elementes in die Gesamt-Steifigkeitsmatrix des FEM-Modells wird eine Transformation in das globale Koordinatensystem durchgeführt.
Die theoretischen Grundlagen für ein Schalen-Element in der FEM erfordern, dass alle 4 Knoten des Elementes in einer Ebene liegen. (Bei dreieckigen Elementen ist diese Bedingung trivial.) Wenn diese Bedingung nicht zutrifft, spricht man von warping (Verwerfung) des Elementes.
Elementsteifigkeitsmatrix
Für ein Schalen-Element werden die Abmessungen des Elementes in der Schalen-Ebene aus der Position der Eck-Knoten berechnet. Die Abmessung quer zur Schalen-Ebene ist durch die Schalendicke gegeben. Mit den Materialdaten wird daraus die Elementsteifigkeitsmatrix berechnet.
Die Elementsteifigkeitsmatrix für ein Schalen-Element der Strukturmechanik mit 4 Knoten (mit jeweils den 6 Freiheitsgraden ux,uy,uz und rotx,roty,rotz) enthält 24 x 24 Zahlenwerte. In der Skizze rechts ist eine solche Matrix prinzipiell mit der Zuordnung zu den Freiheitsgraden der Knoten uxI,uyI,...,rotzL dargestellt.
Diese Zahlenwerte der Elementsteifigkeitsmatrix werden bei der Vorbereitung der Lösung innerhalb des Elementes in das globale Koordinatensystem transformiert und in die Gesamtsteifigkeitsmatrix) des Gesamt-Gleichungssystems eingefügt.
Modellierung
Schalen-Elemente repräsentieren Bauteile, die flächig mit einer relativ geringen Wanddicke vorliegen (Beispiel: Blech, Folie, ein Blatt Papier,..). Die Schalen-Elemente sind im Raum angeordnet (modelliert). Auch wenn sie jeweils für sich flach und dünn aussehen, können sie beliebig im 3-dimensionalen Raum angeordnet sein. Deswegen sollte nicht von ebenen Elementen gesprochen werden.
Schalen-Elemente sind im allgemeinen an der Mittelfläche des dünnwandigen Bauteils angeordnet. Die Mittelfläche ist die gedachte, virtuelle mittlere Ebene zwischen den Oberflächen. Dies kann man sich gut vorstellen zum Beispiel bei einem Blatt Papier oder einem dünnen Blech. Diese Bauteile sind sehr dünn und in der Ebene weit ausgedehnt.
Oft verzichtet die Simulations-Software darauf, gesonderte Platten-, Scheiben- oder Membran-Elemente bereitzustellen. Das entsprechende Tragverhalten kann dann durch Schalterstellungen und Optionen des Schalen-Elementes ausgewählt und aktiviert werden.
Von CAD-Systemen werden Bauteile im allgemeinen als Volumen-Modelle ausgegeben. Für die Diskretisierung eines FEM-Modells mit Schalen-Elementen muss dazu erst von den Volumen die Mittelfläche erzeugt werden.
Lasten
Bei flächig verteilten Lasten (zum Beispiel Druck als Kraft pro Fläche in der Strukturmechanik) muss die Wirkungsrichtung der Last beachtet werden. Dabei wird im allgemeinen eine "Ober-" und "Unter"seite der Schale unterschieden, so dass die flächige Last als Druck oder als Zug wirken kann.
Der Druck wirkt dabei generell auf das Element so wie es auf der Mittelfläche des Bauteils angeordnet ist. Bei Druckbehältern kann dies (also: Drucklast wirkt auf die Mittelfläche des Modells) einen Unterschied ergeben zur Realität (Druck wirkt auf die Innenseite des Modells).
Wenn flächig verteilte Lasten (also Druck in der Strukturmechanik oder Wärmestromdichte als Wärmestrom bzw. Leistung pro Fläche bei einem Temperaturfeld) seitlich auf die Ränder von Schalen-Elementen wirken sollen, dann wird die Fläche zugrundegelegt, die sich aus
- der Kantenlänge des Elementes in der Schalen-Ebene und
- der Wanddicke (senkrecht zur Schalen-Ebene)
ergibt.
In der Skizze rechts ist der Lastvektor dargestellt, der aus den Lasten auf das Element gebildet wird. Für ein Schalen-Element der Strukturmechanik mit 4 Knoten enthält er 24 Zahlenwerte.
Diese Lasten werden bei der Vorbereitung der Lösung innerhalb des Elementes auf die Knoten umgerechnet. Anschließend werden sie in das globale Koordinatensystem transformiert und (wie die Elementsteifigkeitsmatrix in die Gesamtsteifigkeitsmatrix) in den Lastvektor des Gesamt-Gleichungssystems eingefügt.
Lösung
Der numerische Aufwand für Schalen-Elemente bei der Lösung ist relativ hoch (im Vergleich zu anderen Element-Typen).
Schalen-Elemente verwenden in Bezug auf die Rotation um die Flächennormale einen Näherungswert als Steifigkeit.
Ergebnisgrößen
Bei der Auswertung von Dehnungen und Spannungen bei Schalen-Elementen sollte man zunächst nach dem zugrunde gelegten Koordinatensystem fragen. Wegen der Anordnung im Raum kann ein Raum-bezogenes Koordinatensystem zutreffen. Für die Auswertung sind im allgemeinen die Koordinatenrichtungen der Schalenfläche von Bedeutung. Man betrachtet also "Dehnungen oder Spannungen in der Schalenfläche".
Die Auswertung von lokalen Spannungen bei Ecken oder Winkeln ist bei Schalen-Element-Modellen schwierig.
Beispiele
Beispiel: Zahlenwerte der Elementsteifigkeitsmatrix
An einem Beispiel der Strukturmechanik wird hier gezeigt, welche Zahlenwerte in der Elementsteifigkeitsmatrix des Schalen-Elementes berechnet werden. Das Bauteil ist hier in der Abbildung rechts dargestellt. Es ist ein Quader mit den Abmessungen 50 x 20 x 1 mm. Als Materialdaten verwenden wir einen Elastizitätsmodul von 210000 MPa und eine Querkontraktion von 0.3. Dieses Modell entspricht in dem Beispiel der FEM-Handrechnung dem Element 2.
Hier wird das Bauteil mit einem Schalen-Element mit einem FEM-Programm (ANSYS® Mechanical) simuliert. Als Element-Typ des Schalen-Elementes der Strukturmechanik wird "SHELL181" verwendet. Die Abmessungen 50 x 20 mm des Elementes in der Schalen-Ebene ergeben sich aus den Positionen der Knoten I,J,K,L. Die Wanddicke des Elementes wird als 1 mm eingesetzt. Eine Skizze des Modells ist hier in der Abbildung rechts gezeigt. Die Dateneingabe für ANSYS® Mechanical 17.0 finden Sie hier.
Hier für diese Anwendung wurde veranlasst, dass die Zahlenwerte der Elementsteifigkeitsmatrix ausgegeben werden. Die Meldung des Programms ergibt
Beispiel: Modellierung eines Mastes
Die Abbildung rechts zeigt einen Mast. Er ist aus dünnen schlanken runden Profilen unterschiedlicher Durchmesser aufgebaut. Die Strukturmechanik ist zu simulieren.
In der Vergrößerung ist zu erkennen, dass bei der Idealisierung Schalen-Elemente gewählt wurden. Die Diskretisierung wurde mit einer relativ hohen Netzdichte ausgeführt. Dies ist angemessen, wenn hier das Berechnungsziel die örtlichen Spannungen in den Profilen und auch an den Verbindungen zwischen den Profilen sind.
Eine Idealisierung und Diskretisierung mit Balken-Elementen würde diese Berechnungsziele nicht liefern. Es würden dann die Schnittgrößen in den Profilen berechnet werden.
Aus der Erfahrung
Die Theorie, die dem Schalen-Element in der FEM zugrunde liegt, kann nicht kurz und erschöpfend hier dargestellt werden. Es ist zu akzeptieren, dass das Schalen-Element eine Idealisierung eines 3-dimensionalen Bauteils darstellt und zahlreiche Annahmen und Vereinfachungen zugrunde liegen. Selbst unter extremen Annahmen (unendlich dünne ebene Schale) würde der Umfang enorm sein. In Hinsicht auf die theoretischen Grundlagen ist die Bezeichnung "Schalen-Element" nicht eindeutig, je nach Annahmen und berücksichtigten Effekten gibt es Kirchhoff-Platten, Reissner-Mindlin-Schalen und andere.
Es ist unvermeidbar, dass der Anwender
- entweder Unschärfen und Annahmen in Kauf nehmen muss
- oder sich in der Software-Dokumentation und der allgemeinen Literatur (zum Beispiel bei Wikipedia:Schale(Technische_Mechanik)) weiter über Details informieren muss.
Selbststudium
Zum Selbststudium ist hier in einer Bildfolge am Beispiel eines Deckenträgers beispielhaft die Verwendung von Volumen-, Schalen- und Balken-Elementen im Vergleich gezeigt. Die Vorgehensweise und die Ergebnisse der Strukturmechanik werden vorgestellt und diskutiert.
Die Verwendung von verschiedenen Koordinatensystemen bei der Erstellung der Elementsteifigkeitsmatrix und der Gesamtsteifigkeitsmatrix beschreibt eine Folge "Steifigkeitsmatrizen und Koordinatensysteme" an einem Beispiel.
Sonstige Begriffe
Andere Elementtypen sind Volumen-Elemente, Balken-Elemente, SolidShell-Elemente, ebene Elemente, Stab-Elemente.
In einem FEM-Modell können durchaus unterschiedliche Elementtypen gemeinsam verwendet werden. In solchen Fällen ist aber auf die angemessene Bindung der Freiheitsgrade zu achten.
Insbesondere zwischen ebenen Elementen und Schalen-Elementen kann es Verwechslungen geben. Beide Element-Typen sind viereckig und flach. Die grafische Darstellung ist direkt vergleichbar. Das Verhalten ist aber sehr unterschiedlich:
- ebene Elemente können geometrisch nur in der Ebene angeordnet sein (die z-Koordinate MUSS Null sein), Schalen-Elemente können beliebig im 3-dimensionalen Raum angeordnet sein,
- ebene Elemente in der Strukturmechanik können sich nur in der Ebene verformen, Schalen-Elemente in der Strukturmechanik auch normal zu ihrer Ebene.