Windkraftanlagen-Turm Dynamik
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Als Beispiel für Strukturdynamik wird hier der Turm einer Windkraftanlage verwendet.
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Idealisierung
Der Turm wird als dünnwandiger Zylinder modelliert, der nach oben leicht konisch schmaler wird. Unten beträgt der Durchmesser 5 m, oben 4 m. Die Wanddicke beträgt 0,05 m (also 50 mm). Das Material ist Stahl mit einem Elastizitätsmodul von 210 GPa, einer Querkontraktion von 0,3 und einer Dichte von 7800 kg/m3. Details des Turmes wie Verbindungs-Flansche oder Ausschnitte für Türen werden vernachlässigt.
Oben auf diesem Turm wird für das Maschinenhaus (die Gondel, das Gehäuse des Getriebes, des Generators und anderer Aggregate) ein sehr steifer Block mit Abmessungen von 8 x 5 x 3 m angeordnet. Dieser Block hat eine Masse von 12000 kg.
Es wird die Finite-Elemente-Methode verwendet. Für die Diskretisierung des Turmes werden Schalen-Elemente gewählt. Um den Umfang werden 18 Elemente, über die Höhe 20 Elemente angeordnet. Der Block des Maschinenhauses wird mit Volumen-Elementen diskretisiert.
Das Modell erhält Eigenschaften der Strukturmechanik. Die Freiheitsgrade sind damit die Verschiebungen und Verdrehungen an den Knoten der Schalen-Elemente. Zu den Ergebnissen zählen unter anderem mechanische Spannungen.
Das Modell wird am unteren Ende des Turmes fest eingespannt. Das bedeutet, dass für diese Knoten der Wert aller Freiheitsgrade (Verschiebungen und Verdrehungen) zu Null festgelegt wird. Dies bedeutet, dass der Turm am unteren Ende vollständig und ideal festgehalten wird.
Quasistatische Simulation
Hier rechts sind die Spannungen einer statischen Simulation gezeigt, bei der als Last eine Querbeschleunigung am Fußpunkt als dauernd wirkende Last aufgebracht ist. Das ist also der theoretische Fall, dass der Boden konstant in x-Richtung zur Seite beschleunigt wird. Der Turm wird dadurch zur Seite gebogen.
Warum wird dieser Fall bei Strukturdynamik dargestellt? Eine solche Querbeschleunigung tritt zum Beispiel auf, wenn Sie im Auto Gas geben und in den Sitz gedrückt werden. Die Beschleunigung ergibt die Kraft, mit der Sie an die Sitzlehne drücken. Dies ist sehr bewegt und dynamisch, aber wesentliche Ergebnisse liefert bereits die quasistatische Simulation.
Hier bei Querbeschleunigung ergibt sich eine Biegung des Turmes mit den höchsten Spannungen am Fußpunkt. Diese Biegung des Turmes ergibt in der Wandung eine Membranspannung. Bei einer solchen Simulation kann jede Art von Nichtlinearität berücksichtigt werden. Hier ist in der Abbildung die Verformung und die Verteilung der Längsspannung im Turm gezeigt, und zwar
- im linken Teilbild für lineares Material und
- im rechten Teilbild für Material mit Plastizität, hier werden die Spannungen begrenzt durch die elastische Grenze, es treten höhere Dehnungen und größere Verformungen auf. Die Last ist kraftgesteuert.
Praktische Bedeutung: geringe Bedeutung für einen Windkraftanlagen-Turm unter Querbeschleunigung (denn so etwas tritt im Alltag nicht auf), aber eine solche quasistatische Simulation hat eine hohe Bedeutung für den Turm (und jedes andere Bauteil) unter vertikal wirkender Erdbeschleunigung, um die Auswirkungen des Eigengewichtes zu berechnen.
Modalanalyse
Mit der Modalanalyse des Turmes wurden die Eigenfrequenzen und Eigenformen berechnet.
Berechnungsziel: Eigenwerte, Eigenfrequenzen und Eigenformen.
In der Abbildung rechts sind die ersten 10 Eigenformen dargestellt:
- Eigenwert 1: Frequenz f = 1.34 Hz, Biegung des Turmes in Gondel-Längsrichtung,
- Eigenwert 2: Frequenz f = 1.34 Hz, Biegung des Turmes in Gondel-Querrichtung,
- Eigenwert 3: Frequenz f = 6.54 Hz, 2. Biegung des Turmes in Gondel-Längsrichtung,
- Eigenwert 4: Frequenz f = 6.55 Hz, 2. Biegung des Turmes in Gondel-Querrichtung,
- Eigenwert 5: Frequenz f = 8.93 Hz, Ovalisierung der Turm-Schale,
- Eigenwert 6: Frequenz f = 8.93 Hz, Ovalisierung der Turm-Schale,
- Eigenwert 7: Frequenz f = 11.7 Hz, 2. Ovalisierung der Turm-Schale,
- Eigenwert 8: Frequenz f = 11.7 Hz, 2. Ovalisierung der Turm-Schale,
- Eigenwert 9: Frequenz f = 15.6 Hz, Torsion des Turmes,
- Eigenwert 10: Frequenz f = 15.7 Hz, 3. Ovalisierung der Turm-Schale.
Praktische Bedeutung: hoch, im technischen Alltag wird immer mit der Modalanalyse das dynamische Verhalten des Bauteils prinzipiell untersucht und "abgetastet".
Zeitverlauf-Simulation
Bei der Zeitverlauf-Simulation (auch Zeit-Integration genannt) wird hier simuliert, dass plötzlich eine starke Böe auf den Turm trifft. Der Ausgangszustand ist der Turm ohne Last. Vom Zeitpunkt t = 0 an wirkt oben plötzlich eine Querkraft (in x-Richtung) von 1 MN. Das entspricht einem plötzlichen starken Seitenwind. Für die ersten 20 s wird das Verhalten des Turmes simuliert (im Zeitbereich). Hier in diesem Beispiel wurde eine Materialdämpfung von 0,1 % eingesetzt.
Berechnungsziel: das Ausschwingen des Turmes und die Beanspruchungen dabei.
In der Abbildung rechts ist für die Gondel der Verlauf der Querauslenkung über der Zeit als Diagramm gezeigt. Die Bewegung zeigt eine deutliche Schwingung mit der 1. Eigenfrequenz (f = 1.34 Hz, damit also eine Periode von T = 0.75 s). Besonders am Anfang ist zu erkennen, dass dieser Schwingung eine weitere Bewegung von höheren Eigenwerten überlagert ist. Typisch bei diesem Fall ist der Einfluss der Dämpfung, der besonders die Anteile der höheren Eigenwerte reduziert, also aus der Bewegung wegdämpft.
Praktische Bedeutung: hoch, dies ist ein typischer Lastfall für Böen-Belastung. Im technischen Alltag wird eine solche Böen-Last durchaus mit einer solchen Zeitverlauf-Simulation berechnet.
Zeitverlauf-Simulation
In dieser Zeitverlauf-Simulation wird eine Bewegung des Bodens und damit des Fußpunktes des Turmes zugrunde gelegt. Ausgehend vom Turm in Ruhe wird hier für den Zeitbereich 0 < t < 0.1 s der Fußpunkt um 0.1 m in x-Richtung ausgelenkt (Impuls-Last). Das entspricht einem kurzen Abschnitt eines Erdbeben-Verlaufes. Für die ersten 20 s wird das Verhalten des Turmes simuliert (im Zeitbereich). Hier in diesem Beispiel wurde eine Rayleigh-Dämpfung mit α = 0.001 und β = 0.001 eingesetzt.
Berechnungsziel: das Ausschwingen des Turmes und die Beanspruchungen dabei.
In der Abbildung rechts ist für die Gondel der Verlauf der Querauslenkung über der Zeit als Diagramm gezeigt. Im Bewegungsablauf erkennt man Anteile der oben beschriebenen Eigenfrequenzen (f = 1.34 Hz, damit also eine Periode von T = 0.75 s). Der Verlauf wird über der Zeit glatter, die Amplituden werden geringer: das ist der Einfluss der Dämmpfung.
Praktische Bedeutung: moderat, für Erdbeben wird im allgemeinen eine Antwortspektrumanalyse durchgeführt.
Frequenzganganalyse
Für die Frequenzganganalyse des Windkraftanlagen-Turmes wird am Fußpunkt eine konstante seitliche Auslenkung für Frequenzen im Bereich 0 < f < 20 Hz zugrunde gelegt. Diese Analyse im Frequenzbereich liefert das Verhalten des Turmes als Antwort auf die sinus-förmige Auslenkung am Fußpunkt.
Berechnungsziel: Verformungen und Spannungen als Amplitude und Frequenz.
In der Darstellung rechts sind zwei Diagramme zusammen dargestellt:
- in kräftig-violett sind die Amplituden der Querauslenkung der Gondel über der Frequenz dargestellt (die Skala links trifft hierfür zu, Bereich 0 bis 1.25),
- in hell-türkis sind die Phasenwinkel der Querauslenkung der Gondel über der Frequenz dargestellt (hierfür trifft die Skala rechts am Diagramm zu, Bereich -180 bis 180).
Die Amplituden der Querauslenkung (violett) kann man als Vergrößerungsfunktion verstehen: die Anregung unten führt oben zu großen Ausschlägen, wenn die Frequenz einer passenden Eigenfrequenz entspricht (also Resonanz vorliegt). Bei anderen frequenzen "tut sich nichts" an der Gondel.
Für den Verlauf des Phasenwinkels (türkis) betrachten wir folgende Bereiche:
- Der Phasenwinkel beginnt bei kleinen Frequenzen mit dem Wert 0°, das heißt, Anregung (Fußpunkt-Auslenkung und Gondel-Auslenkung) sind gleich-phasig. In der Turm-Darstellung rechts daneben mit der Unterschrift f = 1,9 ist dies anhand der Spannungen erkennbar, es ist eine einfache Biegung (vergleichbar mit der Biegung des Turmes bei Eigenwert 1).
- Im Bereich jenseits der 1. Eigenfrequenz - also bei 1.3 < f < 6.5 - beträgt der Phasenwinkel 180° (bzw. -180°, das ist im Sinne des dynamischen Verhaltens gleichbedeutend, nur numerisch unterschiedlich). Das heißt, hier bewegen sich die Anregung (Fußpunkt-Auslenkung) und die Antwort (Gondel-Auslenkung) gegen-phasig. In der Turm-Darstellung rechts mit der Unterschrift f = 5,3 sind zwei Zonen der Spannungsverteilung erkennbar, es ist die 2. Biegung des Turmes, vergleichbar mit Eigenwert 3.
- Im Bereich jenseits der 2. Eigenfrequenz - also bei 6.5 < f < (etwa 16.5) - beträgt der Phasenwinkel wieder 0°. Das heißt, hier bewegen sich die Anregung (Fußpunkt-Auslenkung) und die Antwort (Gondel-Auslenkung) wieder gleich-phasig. In der Turm-Darstellung rechts mit der Unterschrift f = 18,5 sind jetzt drei Zonen der Spannungsverteilung erkennbar, es ist die 3. Biegung des Turmes, vergleichbar mit einem Eigenwert, der jenseits des Ergebnisbereiches der Modalanalyse liegt.
Praktische Bedeutung: hoch, für Bauteile des technischen Alltags ist die Frequenzganganalyse eine gängige Methode zum Nachweis für Lastfunktionen mit vielen Anteilen und komplexer Zusammensetzung.
Antwortspektrumanalyse
Antwortspektrumanalyse (Frequenzbereich) :
Bodenantwortspektrum (Primärspektrum), Antwortspektrum der Beschleunigung (spektrale Beschleunigung) ergibt Etagenantwortspektrum (Sekundärspektrum)
Berechnungsziel:
Praktische Bedeutung: hoch, typische Simulation für Erdbeben-Lasten
Welche Simulation macht für dieses Beispiel keinen Sinn?
- MKS , Kinematik (Zeitbereich)