Zeitverlauf-Simulation
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: time integration Kategorie: Level 2 Theorie Mechanik
Allgemeine Informationen hierzu wie zum Beispiel bei wikipedia:Direkte Numerische Simulation betreffen nicht direkt die Strukturdynamik.
Simulation
Eine Zeitverlauf-Simulation wird in der Strukturdynamik zur Bestimmung der Verformungen und Spannungen über der Zeit verwendet. Die Zeitverlauf-Simulation wird auch Zeit-Integration genannt.
Die Zeitverlauf-Simulation ergibt Verformungen und Spannungen in ihrem zeitlichen Ablauf.
Die Zeitverlauf-Simulation ist eine Berechnung im Zeitbereich. Es werden keine Frequenzen untersucht.
Implizit oder Explizit?
Die implizite Lösung rechnet mit relativ großen Zeitschritten und Iterationen. Die explizite Lösung rechnet mit kleinen Zeitschritten besonders effektiv bei Nichtlinearitäten.
Eine besonders anschauliche Gegenüberstellung der expliziten und impliziten Lösung finden Sie hier.
Was ist als Eingabe erforderlich?
Als Eingabe sind die Lasten als zeitliche Funktion erforderlich, also als Funktion der Last in Abhängigkeit von der Zeit. Lasten können damit zeitabhängig aufgebracht, geändert oder entfernt werden. Ebenso können Lagerungen zeitabhängig vorgegeben, geändert oder entfernt werden.
Was ist als Ergebnis zu erwarten?
Das Ergebnis der Zeitverlauf-Simulation sind Verschiebungen, Dehnungen, Spannungen als Funktion über der Zeit.
Was ist NICHT als Ergebnis zu erwarten?
Bei einer Berechnung mit der Zeitverlauf-Simulation können keine Informationen über Frequenzen der Ergebniswerte erwartet werden.
Hinweise zur Anwendung im ANSYS®-Programm
Eine Zeitverlauf-Simulation (auch transiente dynamische Analyse oder Analyse im Zeitbereich (Time-History Analysis) oder Zeit-Integration genannt wird), ist eine Technik, um die dynamische Antwort einer Struktur unter Einwirkung einer allgemeinen zeitvariablen Last zu bestimmen. Diese Analyseart kann zur Bestimmung von zeitabhängigen Verschiebungen, Dehnungen, Spannungen und Kräften in einer Struktur angewendet werden, die auf eine beliebige Kombination von statischen, transienten oder auch harmonischen Lasten reagiert. Der zeitliche Verlauf der Last ist dabei derart, dass Dämpfungs- oder Trägheitseffekte signifikant sind. Ist dies nicht der Fall, so kann statt dessen eine statische Simulation durchgeführt werden.
Die Bewegungsgleichung wird schrittweise an diskreten Zeitpunkten gelöst. Das Zeitinkrement zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten wird als Zeitschritt der Integration (Integration Time Step) bezeichnet.
Vorüberlegungen
Eine Zeitverlauf-Simulation ist schwieriger als eine statische Simulation, weil sie gewöhnlich mehr Rechnereinsatz, aber auch mehr von Ihrer Zeit in Anspruch nimmt und zwar in Form von ingenieurmäßiger Arbeit. Wenn Sie jedoch einige Vorüberlegungen anstellen, um mehr physikalisches Verständnis über Ihre Berechnungsaufgabe zu erhalten, können Sie einen beachtlichen Anteil dieses Zeitbedarfs einsparen. Einige Vorschläge hierzu werden nachfolgend dargestellt.
- Untersuchen Sie zunächst ein möglichst einfaches Modell. Eine Struktur aus Balken, Massen und Federn kann bei minimalem Aufwand eine gute Vorstellung über das Problem bieten. In vielen Fällen kann bereits dieses einfache Modell ausreichen, um die dynamische Antwort der Struktur zu berechnen.
- Sind Nichtlinearitäten in der Struktur vorhanden, so versuchen Sie zu verstehen, wie diese das Verhalten der Struktur beeinflussen, indem Sie zunächst eine statische Analyse durchführen und anschließend einen nichtlinearen Einfluss nach dem anderen (falls es mehrere davon gibt) untersuchen. In einigen Fällen kann diese Voruntersuchung dazu führen, dass die Nichtlinearitäten gar nicht in der dynamischen Analyse berücksichtigt werden müssen.
- Versuchen Sie, die Dynamik des Problems zu verstehen. Indem eine Modalanalyse zur Berechnung der Eigenfrequenzen und Eigenschwingungsformen durchgeführt wird, können Sie ein Gefühl dafür bekommen, wie die Struktur reagiert, wenn diese Eigenschwingungsformen angeregt werden. Die Eigenfrequenzen sind außerdem für die Bestimmung der geeigneten Zeitschrittweite nützlich.
- Erwägen Sie die Substrukturierung von linearen Anteilen Ihrer Struktur, um bei nichtlinearen Problemen den Analyseaufwand zu reduzieren.
Nachdem diese Vorüberlegungen erfolgt sind, können die Erläuterungen der folgenden Abschnitte verwendet werden, um die Dateneingabe vorzunehmen und das FEM-Programm mit den notwendigen Informationen zu versorgen.
Die drei Wege der Zeitverlauf-Simulation
Drei Verfahren stehen zur Durchführung einer Zeitverlauf-Simulation zur Verfügung. Dies sind
- die Methode mit den vollständigen Systemmatrizen ( Full Method, FULL),
- die Methode mit reduzierten Systemmatrizen (Reduced Method, REDUC) und
- die Methode der modalen Superposition (Mode Superposition, MSUP).
Bei dem Verfahren MSUP gibt es neben der „klassischen“ modalen Superposition noch eine Methode in Kombination mit dem Eigensolver QRDAMP, die auch als „modale Reduktion“ bezeichnet wird.
Zeitverlauf-Simulation mit vollständigen Systemmatrizen (Full Method, FULL)
Die Full Method verwendet die vollständigen Systemmatrizen, um die transiente Antwort der Struktur zu berechnen (keine Reduktion der Matrizen). Dies ist die leistungsstärkste der drei Methoden, weil alle Arten von Nichtlinearitäten berücksichtigt werden können (Plastizität, große Verformungen, große Dehnungen, Kontakt etc.). Wenn keine Nichtlinearitäten berücksichtigt werden müssen, dann bieten die beiden anderen Methoden jedoch Lösungswege, die im allgemeinen deutlich weniger Berechnungsaufwand erfordern.
Die Vorteile der Full Method sind:
- Einfach in der Anwendung, weil keine Hauptfreiheitsgrade oder Eigenschwingungsformen ausgewählt werden müssen.
- Alle Arten von Nichtlinearitäten sind zulässig.
- Die vollständigen Matrizen werden verwendet, so dass keine Approximation der Massenmatrix durchgeführt wird. Auch unsymmetrische Matrizen sind erlaubt.
- Alle Verschiebungen und Spannungen werden in einem einzigen Rechenlauf ermittelt.
- Alle Arten von Lasten sind zulässig: Knotenkräfte, vorgegebene Verschiebungen (jedoch nicht empfohlen) und Elementlasten (Druckkräfte und Temperaturen).
Der wesentliche Nachteil der Full Method ist:
- der im Vergleich zu den anderen beiden Verfahren wesentlich größere Berechnungsaufwand.
Zeitverlauf-Simulation mit reduzierten Systemmatrizen (Reduced Method, REDUC)
Die Reduced Method erlaubt die Kondensation der Modellgröße durch Anwendung von Hauptfreiheitsgraden (Master Degrees of Freedom) und reduzierten Matrizen (Guyan Reduktion). Nachdem die Verschiebungen an den Hauptfreiheitsgraden berechnet worden sind, kann die Lösung auf alle ursprünglichen Freiheitsgrade expandiert werden. Diese Methode gilt inzwischen als veraltet und sollte nur in Ausnahmefällen angewendet werden, wenn die Methode der modalen Superposition nicht möglich ist.
Die Methode mit reduzierten Matrizen ist nur für lineare transiente Berechnungen geeignet. Sie dient zur Berechnung von Strukturen mit zeitabhängigen Belastungen, bei denen Nichtlinearitäten keinen Einfluss besitzen. Sie arbeitet mit auf Hauptfreiheitsgrade reduzierten Matrizen.
Die Vorteile der Reduced Method sind:
- Schneller und weniger rechenaufwändig als die Full Method.
- beliebige Wegerregungen sind möglich (gegenüber der modalen Superposition).
- Die Berechnung bestimmt vorerst nur die Verschiebungen an den Hauptfreiheitsgraden. Erst auf Anforderung werden alle restlichen Verschiebungen, Spannungen und Kräfte berechnet.
Die Nachteile der Reduced Method sind:
- Elementlasten (Druckkräfte, Temperaturen, etc.) können nicht angewendet werden, Beschleunigungen sind jedoch erlaubt.
- Alle Lasten müssen an vom Anwender definierten Hauptfreiheitsgraden angreifen.
- Der Zeitschritt muss für den gesamten Zeitverlauf konstant bleiben, weshalb automatische Zeitschrittwahl nicht möglich ist.
- Für die Reduktion wird die Gleichungsauflösung mit dem direkten Front-Solver durchgeführt. Dieses Verfahren erfordert relativ wenig Arbeitsspeicher (RAM), aber relativ viel Plattenplatz und kann daher bei großen Modellen sehr aufwändig sein.
- Die einzige zulässige Nichtlinearität ist der einfache Kontakt zwischen zwei Knoten (Gap Condition).
- Verschiebungsrandbedingungen und Wegerregungen dürfen zwischen den einzelnen Lastschritten nicht hinzugefügt oder entfernt werden.
- Es sind keine unsymmetrischen Matrizen erlaubt.
Zeitverlauf-Simulation mit modaler Superposition (Mode Superposition Method, MSUP)
Bei der modalen Superposition werden faktorisierte Eigenschwingungsformen (Eigenvektoren) einer Modalanalyse aufsummiert, um die Antwort der Struktur zu berechnen. Diese Methode setzt die Ergebnisse einer Modalanalyse voraus. Diese Modalanalyse muss mit den Verfahren LANB, SUBSP oder REDUC durchgeführt werden (wobei REDUC nicht empfohlen wird). Eine besondere Form der modalen Superposition liegt vor, wenn die Modalanalyse mit dem Verfahren QRDAMP durchgeführt wird, dies soll als modale Reduktion bezeichnet werden.
Die Vorteile sind:
- Sie ist meistens schneller und kostengünstiger als die anderen Verfahren.
- Elementlasten, die in der vorangegangenen Modalanalyse eingegeben wurden, können weiterverwendet werden.
- Modale Dämpfung kann definiert werden (Dämpfungsgrad für jede einzelne Eigenform eingebbar).
- Kein Genauigkeitsverlust durch Matrix-Reduktion.
Die Nachteile der modalen Superposition sind:
- Der Zeitschritt muss über den gesamten Zeitverlauf konstant bleiben, weshalb automatische Zeitschrittwahl nicht möglich ist.
- Eine Modalanalyse ist zuvor erforderlich.
- Es ist keine Wegerregung möglich.
- Elementlasten (zum Beispiel Drucklasten) müssen bereits in der Modalanalyse aufgebracht worden sein. Sie werden dann insgesamt als Lastvektor in der modalen Superposition berücksichtigt.
- Die einzige zulässige Nichtlinearität ist der einfache Kontakt zwischen zwei Knoten (Gap Condition).
- Es sind keine diskreten Dämpferelemente und keine materialabhängige Dämpfung (MP,DAMP) zulässig. Dies gilt jedoch nicht für die modale Reduktion (QRDAMP).
- Es sind keine unsymmetrischen Matrizen möglich. Dies gilt jedoch nicht für die modale Reduktion (QRDAMP).
- Es ist kein Restart möglich.
Selbststudium
In dem Artikel Grundlagen der FEM-Zeitintegration (CADFEM Journal/Infoplaner 2005-1, Seite 46-47) werden die Grundlagen dargestellt.
Tips und Tricks
Zeitschrittweite
Um eine Schwingung durch eine Zeitverlauf-Simulation ausreichend genau zu berechnen, muss die Zeitschrittweite mindestens 1/20 der Periodendauer der Schwingung betragen.
Numerische Genauigkeit und Reproduzierbarkeit
Wenn in einer Zeitverlauf-Simulation auch Nichtlinearitäten wie Kontakt enthalten sind, kann das Ergebnis durchaus sensibel auf kleine Änderungen der Eingabewerte reagieren. Dies wird bei Zeitverlauf-Simulation_Kontakt_Genauigkeit weiter im Detail erläutert.
Beispiel: Windkraftanlagen-Turm
Windkraftanlagen-Turm Zeitverlauf-Simulation
Weiterführende Informationen
Ein Info-Webinar speziell hierzu finden Sie bei
Dynamik kompakt