Nichtlinearität

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engl: nonlinearity          Kategorie: Aa-leerbild.jpg Level 2 Theorie


Allgemeine Informationen hierzu finden Sie zum Beispiel bei wikipedia:Nichtlineares_System

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Inhaltsverzeichnis

Simulation

Eine Nichtlinearität in der CAE-Simulation ist eine Abhängigkeit der Modelleigenschaften von den Freiheitsgraden der Berechnung. Die Freiheitsgrade sind die primären Unbekannten der Berechnungsaufgabe, und eine Nichtlinearität liegt dann vor, wenn die Eigenschaften des Modells (Matrizen des Gleichungssystems) oder die Lastdaten (rechte Seite des Gleichungssystems) von den Freiheitsgraden abhängig sind.

In der Strukturmechanik liegt immer dann nichtlineares Verhalten vor, wenn

Bei der Simulation von Temperaturfeldern liegt nichtlineares Verhalten vor, wenn

Bei anderen physikalischen Anwendungen gilt dies analog.

Sobald diese Bedingungen vorliegen, muss die CAE-Simulation die Nichtlinearität berücksichtigen.

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Eine Simulation mit Nichtlinearitäten ist nicht mehr konservativ. Das bedeutet: das Ergebnis ist NICHT proportional zu den Lasten, eine Superposition ist NICHT zulässig. Das Ergebnis ist abhängig von dem Weg (den Zwischenschritten), die ausgeführt wurden. Die Abbildung rechts zeigt dies prinzipiell für ein Beispiel einer Nichtlinearität.

Die Lösung einer Simulation mit Nichtlinearitäten erfolgt iterativ.

Nichtlinearität im Wortsinn

Im Wortsinn hat eine Nichtlinearität mit einer Funktion zwischen einer unabhängigen Variablen (x-Wert) und einem Funktionswert (abhängige Variable, y-Wert) zu tun. Diese Funktion ist hier nicht konstant (horizontale Gerade) oder linear (beliebige Gerade), sondern eine krumme gebogene Linie.

Wenn in der FEM-Simulation von einer Nichtlinearität für die Lösung gesprochen wird, dann sind die unabhängigen Variablen immer die aktuellen Freiheitsgrade. Der Funktionswert ist eine Eigenschafte des Modells (die in die Matrizen des Gleichungssystems eingeht) oder eine Last (die auf der rechten Seite des Gleichungssystems auftaucht). Dies war im vorigen Absatz näher erläutert worden.

Beispiele

Beispiel: Geometrienichtlinearität

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Die Abbildung zeigt einen geraden schlanken Turm, der ein schweres Gewicht an der Spitze tragen muss, zum Beispiel eine Windkraftanlage. Wenn der Turm gerade steht, ergibt das Gewicht eine Längskraft im Turm. Sobald sich der Turm etwas zur Seite biegt - zum Beispiel durch Seitenwind - ergibt sich zusätzlich ein Biegemoment. Diese zusätzliche Last ist von der Querauslenkung abhängig. Das ähnelt einem Euler-Knickstab. Ein solcher Zusammenhang wird Geometrienichtlinearität genannt.

Zu Geometrienichtlinearitäten zählt auch Knicken und Beulen.

Beispiel: Materialnichtlinearität, Plastizität

Bei einer Materialnichtlinearität in der Strukturmechanik liegt für das Material eine Spannungs-Dehnungs-Kurve vor, die nichtlinear ist. Wenn zusätzlich noch nach einer Belastung die Entlastung einer anderen Spannungs-Dehnung-Kurve folgt, dann spricht man von Plastizität.

Die Berechnung eines solchen Modells mit nichtlinearem Material erfolgt iterativ: nach der Lösung des Gleichungssystems bei einer Iteration werden aus den Ergebniswerten der Verschiebungen die Dehnungen in jedem Element bestimmt, die zugehörigen Spannungen aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve verwendet und damit die inneren Kräfte im Modell bestimmt. Wenn deren Summe nicht mit den äußeren Kräften übereinstimmt (Gleichgewichtskontrolle), wird die Berechnung mit angepassten Annahmen wiederholt (Gleichgewichtsiteration). Selten liegt ein nichtlinear-elastisches Verhalten vor, bei dem zwar die Spannungs-Dehnungs-Kurve nichtlinear ist, aber bei Be- und Entlastung immer der gleiche Funktionsverlauf verfolgt wird. Meistens liegt ein plastisches Material vor, bei dem die nichtlineare Spannungs-Dehnungs-Kurve für die Belastung und die folgende Entlastung unterschiedlich ist. Für die Simulation von Plastizität sind eine Vielzahl von numerischen Modellen verfügbar.

Beispiel: Materialnichtlinearität

In einer thermo-elektrischen Berechnung enthält das Modell einen elektrischen Widerstand , der von der Temperatur abhängt. Hierbei sind neben den elektrischen Größen die Temperaturen die Freiheitsgrade. Darum liegt nichtlineares Verhalten vor. Die Materialeingabe des Widerstandes umfasst die Abhängigkeit von der Temperatur. Bei der Berechnung wird jeweils die aktuelle Temperatur abgefragt, der zugehörige Widerstand ausgesucht und gegebenenfalls unter mit diesen angepassten Werten neu gerechnet (Gleichgewichtsiteration).

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Beispiel: Strukturnichtlinearität: Kontakt

Dieses Beispiel ist ein Gabelstapler, der im unbeladenen Zustand mit beiden Achsen auf dem Boden steht. Wenn eine Last an der Gabel aufgenommen wird, wird die Achslast umverteilt. Bei sehr hohen Lasten kann es dazu kommen, dass die hintere Achse vollständig entlastet wird und abhebt. Im Simulationsmodell liegt hier eine Randbedingung vor, durch die

Dies ist ein Beispiel für Kontakt in einer Strukturmechanik-Berechnung. Die Kräfte am Rand oder zwischen Modellbereichen sind abhängig von den Verschiebungen der Modellbereiche. Hierbei sind die Verschiebungen die Freiheitsgrade. Die Verschiebungen entscheiden darüber, ob am Kontakt Kräfte auftreten oder nicht, darum liegt nichtlineares Verhalten vor. Im Simulationsmodell wird diese Nichtlinearität durch Elemente berücksichtigt, die an der Oberfläche der Modellbereiche angeordnet werden (Kontakt) und die zwischen "offen" und "geschlossen" unterscheiden können. Dies hat Einfluss auf das Kräfte-Gleichgewicht an den Modellbereichen.

Als Strukturnichtlinearität ist auch das Inaktiv-Schalten von Elementen (EKILL) anzusehen.

Beispiel: keine Nichtlinearität

In diesem Beispiel soll eine Simulation der Strukturmechanik vorliegen, bei der thermisch induzierte Dehnungen eine Rolle spielen. Das Bauteil hat unterschiedliche Temperaturen, die Verschiebungen und damit die Dehnungen und Spannungen werden berechnet. Der Elastizitätsmodul ist als Funktion der Temperatur eingegeben. In einer solchen Simulation der Strukturmechanik sind die Verschiebungen die Freiheitsgrade, nicht jedoch die Temperaturen. Darum liegt hier KEIN nichtlineares Verhalten vor.

Lösungsverfahren

Zur Lösung von Nichtlinearitäten bei FEM-Anwendungen mit impliziter Lösung wird meistens

verwendet. Zusätzlich dienen Methoden wie

dazu, den Rechenaufwand bei jeder Charakteristik der Nichtlinearität möglichst gering zu halten und die Lösung möglichst effektiv zu erreichen.

Windkraftanlagen

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Speziell für Türme von Windkraftanlagen werden Nichtlinearitäten in der Simulation hier nochmal betrachtet.

Tips und Tricks

Starten Sie mit einer linearen Simulation!

Für eine erste Simulation sollte elastisches Verhalten zugrunde gelegt werden. Das erfordert am wenigsten Rechenaufwand, ermöglicht eine Kontrolle des Modells und der Annahmen und zeigt einen ersten Eindruck des Bauteilverhaltens. Erst danach sollten Nichtlinearitäten "eingeschaltet" werden. Und zwar möglichst einzeln nacheinander, also nicht sofort alle nichtlinearen Effekte gleichzeitig! Denn der Berechnungsablauf für nichtlineare Simulationen ist aufwändig und tückisch, Probleme sind nicht immer automatisch vom Programm zu bewältigen.

Numerische Genauigkeit und Reproduzierbarkeit

Wenn in einer Zeitverlauf-Simulation auch Nichtlinearitäten wie Kontakt enthalten sind, kann das Ergebnis durchaus sensibel auf kleine Änderungen der Eingabewerte reagieren. Dies wird bei Zeitverlauf-Simulation_Kontakt_Genauigkeit weiter im Detail erläutert.

Selbststudium

CADFEMJournalIP2010-1-S48-51.JPG

In dem Artikel Nichtlinearitäten in der strukturmechanischen FEM-Berechnung (CADFEM Journal/Infoplaner 2010-1, Seite 48-51) wird ein Überblick über die Grundlagen gegeben.

Sonstige Begriffe

Das Gegenteil von Nichtlinearität ist eine Linearität der Simulation.

Literatur

Zu diesem Thema empfehlen wir das Buch von Rust(2011).

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