Dilatogramm
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: phase change Kategorie:
Level 4 Maschinenbau Material
Ein Dilatogramm ist das Ergebnis einer Messung der Materialdaten von Metallen, bei denen eine Phasenumwandlung auftritt. Dabei wird eine Materialprobe kräftefrei gelagert und aufgeheizt und wieder abgekühlt. Während dieses Vorganges wird die thermisch induzierte Dehnung gemessen. Das Dilatogramm zeigt die Längenänderung der Probe als Funktion der Temperatur. Aus dem Verlauf des Dilatogramms wird auf die Umwandlung des Materials geschlossen.
Diese Messungen finden an Messmaschinen (z.B. Gleeble,..) statt, die durch eine Regelung die Probe während der Aufheizens und Abkühlens spannungsfrei hält, so dass die thermische Dehnung nicht durch mechanische Dehnungen überdeckt wird.
Das Dilatogramm und die thermische Dehnung ist wichtig für die Schweißsimulation.
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Grundlagen
Bei einem Stahl ohne Phasenumwandlung ergibt sich die thermische Dehnung (Thermal strain) aus der Differenz der aktuellen Temperatur und der Referenztemperatur über den Wärmeausdehnungskoeffizienten. Dies ist hier rechts nebenstehend in dem linken Teilbild als Gerade zu sehen für einen typischen ferritischen Stahl (mit Wärmeausdehnungskoeffizient α ca. 12*10-6 [1/°C]) oder für einen typischen austenitischen Stahl (mit α ca. 16*10-6 [1/°C]). Für einen Stahl mit Phasenumwandlung ergibt sich typischerweise eine Kurve wie im rechten Teilbild gezeigt. Beim Aufheizen (heating) folgt die thermische Dehnung dem Verhalten des ferritischen Materials, also mit einer relativ langsam steigenden Funktion. Bei etwa 800°C tritt die Phasenumwandlung auf, dies ergibt eine Verzögerung der Dehnungszunahme und anschließend im Austenitbereich eine steiler verlaufende Funktion. Beim Abkühlen hängt das Verhalten des Materials von der Abkühlgeschwindigkeit ab: langsames Abkühlen (slow cooling) ergibt eine Rückumwandlung etwa entlang der Funktion des Aufheizens. Schnelles Abkühlen verzögert die Rückumwandlung, erst bei deutlich tieferen Temperaturen (im Bereich 400°C..100°C) tritt (auch bei weiter abnehmender Temperatur) eine vorübergehende Dehnungszunahme auf und weiter ein Verlauf wie zu Beginn, dem ferritischen Material entsprechend.
Der Verlauf des Dilatogramms - also der thermischen Dehnung abhängig von der Temperatur - bei einem Stahl mit Phasenumwandlung zeigt eine solche typische Hysterese. Solche Messungen werden auch zum Erstellen von ZTU-Diagrammen verwendet.
Simulation
Bei der Simulation von Schweißnähten, Wärmebehandlung und ähnlichen Vorgängen muss die thermische Dehnung entsprechend dem Dilatogramm berücksichtigt werden. Denn bereits bei einer Aufheizung um 100°C ist bei einem üblichen Stahl bereits die Streckgrenze erreicht! Bei Prozessen, bei denen hohe Temperaturen auftreten, ist also immer mit Plastizität und Eigenspannungen zu rechnen.
Oftmals ist es bei der Simulation ausreichend,
- den Funktionsverlauf beim Aufheizen durch einen Materialwert ALPX (Wärmeausdehnungskoeffizient) als Funktion der Temperatur vorzugeben,
- bei hohen Temperaturen oder der Umkehr der Heizrate (Aufheizen zu Abkühlen) für das jeweilige Element des FEM-Modells umzuschalten auf ein anderes Material (MPCHG) und
- für dieses Material beim Abkühlen einen anderen Materialwert ALPX (Wärmeausdehnung) als Funktion der Temperatur vorzugeben.
Diese Vorgehensweise ist immer dann angemessen, wenn die Abkühlung schnell erfolgt und der Kurvenverlauf für schnelle Abkühlung (fast cooling) zutrifft.
Wenn bei der Messung für ein Dilatogramm eine mechanische Spannung wirkt, kann Umwandlungsplastizität erkannt werden.
Beispiele
Abhängigkeit des Dilatogramms von den STAAZ-Parametern
Ein Beispiel für die Abhängigkeit des Dilatogramms von den STAAZ-Parametern ist in
M.Wendel, F.Hoffmann, W.Datchary: Bearing steels for induction hardening - Part I, HTM J.Heat Treatm.Mat.71 (2016) 1 S.20-34
gegeben. Die Abbildung rechts zeigt in Anlehnung an diese Publikation beispielhaft gemessene Werte für einen Stahl 100Cr6 SA.
Die STAAZ-Methode verwendet eine Abhängigkeit der thermischen Ausdehnung von den Parametern
- Abkühlrate [K/s](bzw. Abkühlzeit t8/5, die beim Abkühlen zwischen 800°C und 500°C vergeht),
- Spitzentemperatur Tmax [°C] (also die höchste Temperatur, die bei dem Aufheiz-Abkühl-Prozess erreicht wurde) und
- die Austenit-Verweilzeit ta [s].
Die Abbildung zeigt den Einfluss dieser Parameter.
Methoden zur Eingabe des Wärmeausdehnungskoeffizienten in der Simulation
Hier als Dilatogramm-Beispiel finden Sie eine FEM-Anwendung mit einer Variation der Eingabemöglichkeiten des Wärmeausdehnungskoeffizienten mittels direkter Eingabe der thermischen Dehnung als Funktion der Temperatur (THSX), als Sekanten-Koeffizient (Sekantenmodul) αse (ALPX) und als Tangentenmodul αin (instantaneous) (CTEX).
Selbststudium
Zum Selbststudium ist hier in einer Bildfolge beispielhaft dargestellt, welche Auswirkung der Effekt der Phasenumwandlung auf die Dehnungen und Spannungen bei einem Schweißvorgang hat.
Sonstige Begriffe
Die Phasenumwandlung in der Metallurgie ist zu unterscheiden vom Phasenwechsel im Temperaturfeld, der Zustandsänderung (fest-flüssig, flüssig-gasförmig, Verdampfen,..)
Bei Stählen, die Phasenumwandlung zeigen, kann Umwandlungsplastizität (TRIP) eine Rolle spielen.