Ermüdung
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: fatigue Kategorie:
Level 2 Material Mechanik
Allgemeine Informationen hierzu finden Sie zum Beispiel bei wikipedia:Betriebsfestigkeit
Inhaltsverzeichnis |
Grundlagen
Ermüdung ist ein Versagen im Material, das unter wiederholter Beanspruchung auftritt. Der Zusammenhalt im Material geht verloren, das Tragvermögen geht verloren. Das Geschehen von der Beanspruchung bis zum Versagen kann etwa so beschrieben werden:
- Durch die Spannungen treten im Materialgefüge Versetzungen und Ermüdungsgleitbänder auf,
- es bilden sich Mikrorisse in mikroskopisch kleinen Bereichen,
- dies tritt besonders an Orten hoher Spannungskonzentration auf (Kerben, Spitzenspannung) an der Oberfläche oder an Materialinhomogenitäten oder Fehlerstellen im Inneren auf (bis hier ist das Geschehen kaum von außen erkennbar),
- die Mikrorisse wachsen zusammen, vereinigen sich zu Makrorissen, die sichtbar oder erkennbar in der Größenordnung von Millimetern sind, damit kann von einem "technischen Anriss" gesprochen werden (Bruchmechanik),
- nach dieser Makrorissbildung tritt Rissfortschritt auf, wenn die Spannungen zunehmen oder immer wieder auftreten (diese Rissfortschrittsphase hat mit technischen Versagenskriterien der Bruchmechanik und der Simulation von Rissfortschritt zu tun),
- durch den Riss werden die Lasten am Bauteil auf andere Bereiche umgeleitet, so dass Nachbarbereiche mehr Lastanteile tragen müssen (Lastumlagerung, Spannungsumlagerung),
- und am Ende erfolgt der Ermüdungsbruch, also die vollständige Trennung eines Bauteilquerschnitts.
Die Bruchfläche bei einem Ermüdungsbruch ist gekennzeichnet durch Rastlinien, die einem oftmals einem Muster von Baumringen ähneln. Eine Rastlinie ergibt sich aus dem Verlauf der Rissfront, wenn ein Lastmaximum erreicht ist und eine Entlastungsphase folgt.
Simulation
Bei der numerischen Simulation ist die Ermüdung oftmals ein Ziel der Bewertung der Ergebnisse. Dies ist ein Nachweis der Betriebsfestigkeit. Dabei wird im allgemeinen die Schwingbreite der Spannungen im Material als maßgebende Größe zur Beurteilung der Ermüdung verwendet.
Bei der Simulation des Bauteilverhaltens ist für die Beurteilung der Ermüdung die maximale Änderung der Beanspruchungen maßgebend. Diese Änderung der Beanspruchungen wird Spannungs-Schwingbreite genannt. Dieser Ergebniswert wird als maßgebend für die Zerrüttung des Materials angesehen. Die Simulation muss also mehrere Belastungs-Situationen abbilden, aus denen sich diese Schwingbreite (Differenz) ergibt. Meistens sind es mehrere statische Simulationen mit unterschiedlichen Lasten.
Für die Lebensdauerberechnung zyklisch beanspruchter Bauteile stehen
- das Nennspannungskonzept (Berechnung einfacher Grundbeanspruchungsfälle wie Zug, Biegung, Torsion in einem Nennquerschnitt des Bauteils und Bewertung mit Bauteilwöhlerlinien),
- örtliche, lokale Konzepte (Hot-Spot-Verfahren, geeignet für FEM-Simulation, die Spannungen aus der Simulation werden für den Nachweis verwendet) und
- das BruchmechanikKonzept oder Rissfortschrittskonzept (Betrachtung der Rissfortschrittsphase unter zyklischer Belastung mit Methoden der Bruchmechanik)
zur Verfügung. Die technischen Regelwerke beruhten jahrzehntelang fast ausschliesslich auf dem Nennspannungskonzept. Zusammen mit FEM-Simulationen kann die Bewertung in Hinsicht auf Versagen durch Ermüdung spannungsbasiert (stress life, S/N), dehnungsbasiert (strain life, E/N) oder über die Bruchmechanik erfolgen.
Ermüdungsfestigkeitsnachweis
Die Genauigkeit von Ermüdungsnachweisen ist moderat, d.h. zwischen Rechnung und Versuch können, bezogen auf die ertragbare Schwingspielzahl, Faktoren im Bereich von 0.1 bis 10 und im Einzelfall auch grösser auftreten. Entsprechend sind im allgemeinen die Sicherheitsbeiwerte gestaltet. Wie bei anderen Nachweisen wird auch hier ein Vergleich zwischen den Kennwerten der Beanspruchung (Spannung) und der Beanspruchbarkeit hergestellt, hier zwischen dem Beanspruchungskollektiv und der Wöhlerlinie oder dem Haigh-Diagramm.
Bei der spannungsbasierten Bewertung wird die Lebensdauer anhand eines S/N-Diagramms (Spannungs-Schwingbreite über Lastspielzahl) abgeschätzt: in diesem Diagramm wird aus Ermüdungsversuchen eine Grenzkurve für den Werkstoff festgelegt. Die zulässige Spannungs-Schwingbreite liegt unterhalb dieser Kurve, meistens um einen Faktor von 1..2 in Hinsicht auf die Spannungs-Schwingbreite oder um einen Faktor von 5..20 in Hinsicht auf die Lastspielzahlen verschoben. Oftmals wird die zulässige Lastspielzahl pauschal reduziert, um Einflüsse wie Spannungsverhältnis, Spannungskonzentrationen, Kerben, Oberflächeneigenschaften, Korrosion und anderen abzudecken.
Dauerfestigkeit
Einen Überblick finden Sie bei wikipedia:Dauerfestigkeit.
Als Grenzkurve kann hierbei ein Haigh-Diagramm zugrunde gelegt werden: in diesem Diagramm ist horizontal die Mittelspannung aufgetragen, während vertikal die Spannungs-Schwingbreite bzw. Ausschlagspannung aufgetragen ist. Beim Nachweis gegen Ermüdung spielt die Spannungs-Schwingbreite eine wesentliche Rolle, während die Mittelspannung teilweise vernachlässigt wird.
Für eine dehnungsbasierte Bewertung wird eine Dehnungs-Wöhlerlinie (E/N-Diagramm) verwendet, deren Parameter aus den statischen Kenngrößen näherungsweise per Unified Material Law (UML) abgeleitet werden können.
Sonstige Begriffe
Wenn der Zusammenhalt im Material bei einmaliger Beanspruchung über einen Grenzwert hinaus auftritt und sich diese Materialtrennung makroskopisch im Bauteil zeigt, wird von Gewaltbruch gesprochen.
Weiterführende Informationen
Einen Info-Tag speziell zu Ermüdung in der Medizintechnik finden Sie bei
FEM-Simulation in der Prothetik - Dauerfestigkeit von Implantaten nach ISO- und ASTM-Normen
Praktische Vorgehensweise als Video
Eine Darstellung der praktischen Vorgehensweise finden Sie auf dem CADFEM YouTube Kanal. Das dort angebotene CADFEM Tutorial Nr. 26 - Lebensdauerbetrachtung (LCF) einer Spannzange zeigt eine Simulation zu LCF (low cycle fatigue). Und das dort ebenfalls angebotene CADFEM Tutorial Nr. 27 - Lebensdauerbetrachtung (HCF) einer Platine zeigt eine Simulation zu HCF (high cycle fatigue).