Statisch bestimmt

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engl:          Kategorie:Aa-leerbild.jpg Level 2 Theorie


Allgemeine Informationen hierzu finden Sie zum Beispiel bei wikipedia:Statische Bestimmtheit

Hier wird zusätzlich zu "statisch bestimmt" auch "statisch unbestimmt" oder "statisch überbestimmt" beschrieben (also die "statische Bestimmtheit", "statische Unbestimmtheit" oder "statische Überbestimmtheit").

In vielen Darstellungen wird bei diesen Begriffen nur der Bezug zur Strukturmechanik dargestellt. Sie treffen aber analog auch auf andere Anwendungen (Temperaturfelder, Magnetfelder, ..) zu.

Inhaltsverzeichnis

Simulation

Die Begriffe

betreffen die Lagerung (Festhaltung) und damit die Starrkörperbewegungen eines Simulationsmodells.

In den folgenden Beschreibungen kann Starrkörperbewegung des Modells und Freiheitsgrade von Knoten leicht verwechselt werden. Darum werden hier einige Anmerkungen vorangestellt.

Wir betrachten dazu das Bauteil und dessen virtuelles Modell auf dem Bildschirm. Und wir legen eine statische Simulation der Strukturmechanik zugrunde. Und zusätzlich soll erstmal das Eigengewicht nicht wirken. Und wir sehen zunächst keinerlei Festhaltungen oder Fixierungen oder Befestigungen vor. Dann "schwebt" das Modell zunächst bewegungslos im Raum. Was für Bewegungen wären jetzt grundsätzlich möglich? Das Modell kann in alle 3 Raumrichtungen verschoben werden (üblicherweise als x-, y-, z-Richtung bezeichnet). Und das Modell kann um diese 3 Raumrichtungen gedreht werden (Rotationen). Alle weiteren Lageveränderungen können als Kombinationen dieser 3+3 Bewegungen beschrieben werden. Diese Lageveränderungen können stattfinden, ohne dass das Modell gedehnt oder verformt wird. Daher werden sie auch als Starrkörperbewegungen des Modells bzw. des Bauteils bezeichnet. Diese Überlegungen verwenden Grundsätze der Mechanik (Starrkörpermechanik, wikipedia: Mechanik starrer Körper).

Für die Anwendung der FEM wird das Bauteil diskretisiert und mit einem Netz von Elementen und Knoten modelliert. Für jeden Knoten werden in diesem betrachteten Beispiel als Freiheitsgrade die Verschiebungen in den 3 Raumrichtungen vorgesehen. Wenn dieses Modell als Starrkörper eine Bewegung um 1 mm in x-Richtung ausführt, dann ergeben sich alle x-Verschiebungen der Knoten zu 1 mm. Bei einer Verdrehung des Modells sind die Verschiebungen der einzelnen Knoten unterschiedlich groß. Diese Betrachtung verwendet die Grundsätze der FEM.

Statische Simulation der Strukturmechanik

Betrachten wir zunächst eine statische Simulation der Strukturmechanik. Das Modell ist 3-dimensional (Volumen-Elemente), die Freiheitsgrade an jedem Knoten (also an jeder diskreten Position) des Modells sind die Verschiebungen ux, uy, uz in den drei Raumrichtungen. Das ganze Modell kann sich als Starrkörper in die 3 Raumrichtungen verschieben und sich auch um die 3 Achsen des Raumes verdrehen.

Für die Erläuterungen hier verwenden wir als Beispiel ein Stativ eines Fotoapparates oder einer Kamera, das auf dem Fußboden steht. Wir werden aber die Reibung des Stativs auf dem Fußboden gedanklich ausblenden und vernachlässigen müssen, damit das Gesagte deutlich erkennbar wird.

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Statisch bestimmt

Eine statisch bestimmte Lagerung liegt dann vor, wenn genau soviele Freiheitsgrade festgehalten werden, dass sich das Modell im Raum nicht mehr als Starrkörper bewegen kann, andererseits aber auch keine Zwängungen auftreten können.

In der Abbildung rechts zeigt Teilbild a das Stativ zunächst ohne Festhaltungen (ohne Wirkung des Eigengewichtes, sozusagen frei "schwebend").

Fangen wir mit der Vertikalrichtung an. Wie im praktischen Alltag stellen wir das Stativ auf den Boden. Teilbild b zeigt das Stativ mit den Festhaltungen in Vertikalrichtung an den 3 Stativbeinen (blaue Pfeile, hier die z-Richtung). (Warum sind es 3 Stativbeine? Weniger als 3 (also 2 Beine oder gar 1 Bein) würden nicht stabil stehen bleiben, und mit mehr als 3 Beinen würde das Stativ immer mehr oder weniger wackeln.) Bei diesen Festhaltungen muss jetzt der praktische Alltag in die ideale Welt der Simulation übersetzt werden:

Damit ist also bis hier in der Simulation mit der idealen Festhaltung die Vertikalrichtung beschrieben, aber noch nichts in Horizontalrichtung gesagt. Hier bei diesem Prinzipbeispiel soll keine Reibung vorliegen (als wenn das Stativ auf einer sehr glatten Eisfläche stehen würde und ein Windhauch genügen würde, um es rutschen zu lassen). Das Verrutschen des Stativs auf dem Boden muss daher noch durch Festhaltungen in Horizontalrichtung verhindert werden.

In Teilbild c sind deswegen 2 grüne Pfeile in Querrichtung als Festhaltungen eingetragen (hier uy in y-Richtung). Damit ist sowohl das Verrutschen quer als auch die Verdrehung auf dem Boden (um die Vertikal- bzw. Hoch-Achse) blockiert.

Und schließlich ist in Teilbild d als letzte notwendige Randbedingung noch eine Festhaltung in Längsrichtung (schwarzer Pfeil, hier ux in x-Richtung) angeordnet. Nun kann das Stativ sich nicht mehr frei als Starrkörper bewegen, aber es treten durch diese Festhaltungen auch keine Zwängungen auf.

Merke: bei einem 3-dimensionalen Modell der Strukturmechanik sind 6 Freiheitsgrade für eine statisch bestimmte Lagerung festzuhalten.

Wie verhält sich ein statisch bestimmt gelagertes FEM-Modell bei der numerischen Lösung und bei der Auswertung? Die numerische Lösung wird problemlos ablaufen. Wenn keine äußeren Lasten wirken, ergibt sich nicht nur die Summe, sondern auch jede einzelne Reaktionskraft an den Festhaltungen zu (genau oder nahezu) Null.

Statisch unbestimmt

Eine statisch unbestimmte Lagerung liegt dann vor, wenn weniger oder gar keine Freiheitsgrade festgehalten werden, so dass sich das Modell im Raum unbehindert bewegen kann (das heißt, ein "Windhauch" würde schon eine Bewegung hervorrufen). Eine solche unbehinderte Bewegung ist eine Starrkörperbewegung.

Wie verhält sich ein statisch unbestimmt gelagertes FEM-Modell bei der numerischen Lösung und bei der Auswertung? Die numerische Lösung wird problematisch, mathematisch ist keine eindeutige Lösung möglich, anhand der Zahlenwerte der Gesamtsteifigkeitsmatrix kann die Software dies erkennen. Entweder bricht die Lösung ab oder es werden unsinnige Zahlenwerte der Verschiebungen berechnet (Größenordnungen, die numerisch "riesig" sind und sofort als unplausibel erkennbar sind) oder von der Software werden automatisch "künstliche" Festhaltungen hinzugefügt, bis eine statisch bestimmte Lagerung vorliegt.

Statisch überbestimmt

Eine statisch überbestimmte Lagerung liegt dann vor, wenn mehr Freiheitsgrade festgehalten werden als notwendig sind, um die Bewegung im Raum zu behindern, so dass zusätzliche Zwängungen auftreten können.

Wie verhält sich ein statisch überbestimmt gelagertes FEM-Modell bei der numerischen Lösung und bei der Auswertung? Die numerische Lösung wird problemlos ablaufen. Wenn keine äußeren Lasten wirken, ergibt sich die Summe aller Reaktionskräfte an den Festhaltungen zu (genau oder nahezu) Null, aber jede einzelne Reaktionskraft kann groß sein.


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Ein 2-dimensionales Modell der Strukturmechanik

Stellen Sie sich einen Tisch in einem leeren Zimmer vor. Wir planen wieder eine statische Simulation der Strukturmechanik. Der Tisch ist in der Ebene in 2 Richtungen verschiebbar, außerdem kann er gedreht werden. Ohne Lagerung sind damit 3 Starrkörperbewegungen möglich. Der Tisch und einige benachbarte Wände sind in der Abbildung rechts, Teilbild a, skizziert.

Schieben Sie nun eine Ecke des Tisches an die Wand. Damit wird eine Verschiebungsrichtung blockiert. Das ist in Teilbild b gezeigt.

Drehen Sie den Tisch so, dass nicht nur eine Ecke, sondern eine ganze Kante an die Wand angrenzt (Teilbild c). Damit ist auch die Verdrehungsmöglichkeit blockiert, der Tisch kann nur noch entlang der Wand verschoben werden. Es bleibt also 1 Starrkörperbewegung möglich, es liegt damit immer noch eine statische Unbestimmtheit vor.

Erst wenn entlang dieser Wand ein Absatz, ein Nagel oder etwas anderes diese Verschiebbarkeit blockiert (Teilbild d), sind die 2 Verschiebungs- und die 1 Verdrehmöglichkeit des Tisches in der Ebene blockiert. Dann liegt eine statisch bestimmte Lagerung vor.

Merke: bei einem 2-dimensionalen Modell der Strukturmechanik sind 3 Freiheitsgrade für eine statisch bestimmte Lagerung festzuhalten.


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Für die Situation in Teilbild d (statisch bestimmt) wurde bewusst ein Absatz oder ein Nagel beschrieben. Alternativ kann natürlich der Tisch nach oben gegen die andere Wand geschoben werden, so dass die Anordnung wie in Teilbild e gezeigt vorliegt. Diese Anordnung, bei der insgesamt 4 Festhaltungen vorliegen, ist bereits statisch überbestimmt.


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Axisymmetrie der Strukturmechanik

Ein axisymmetrisches (rotationssymmetrisches) Modell ist ein Sonderfall eines 2-dimensionalen Modells. Die Verschiebungen des Modells radial (außen - innen) und die Verdrehungen sind durch die Axisymmetrie mit der Steifigkeit des Modells verknüpft, sie sind nicht frei als Starrkörperbewegung möglich. Dies ist in der Abbildung rechts durch die skizzierten Federn angedeutet. Sie zeigen die Wirkung des Bauteils, das kreisförmig die Achse umschließt. Eine radiale Verschiebung des Modellquerschnitts (rotes Rechteck) geht mit einer Aufweitung des Bauteils einher.

Nur die Verschiebung in Axialrichtung (in Richtung der Rotations-Achse) ist frei möglich. Für eine statisch bestimmte Lagerung eines axisymmetrischen (rotationssymmetrischen) Modells ist eine Festhaltung in axialer Richtung ausreichend (in der Abbildung als grüner Pfeil skizziert).

Dynamische Simulation der Strukturmechanik

Bei einer dynamischen (zeitabhängigen) Simulation der Strukturmechanik wird nicht von Bestimmtheit der Lagerung gesprochen. Dadurch, dass bei einer solchen Simulation die Massen- bzw. Trägheitsterme mitwirken, treffen die vorher beschriebenen Auswirkungen der statischen Bestimmtheit (bzw. Über- oder Unbestimmtheit) nicht zu. Dann sind nur die Startwerte der Verschiebungen und Geschwindigkeiten von Bedeutung.

Temperaturfeld

Bei einem Temperaturfeld ist der Freiheitsgrad Temperatur eine skalare (nicht richtungsabhängige) Größe.

Wenn wir eine stationäre Simulation eines Temperaturfeldes betrachten und keine Festhaltung einer Temperatur vorhanden ist, dann kann man in anschaulicher Darstellung sagen: das Modell ist ohne Festhaltung auf der Temperaturskala frei verschiebbar (wie auf einer Schiene, 1-dimensional). Diese freie Verschiebbarkeit entspricht einer statisch unbestimmten Lagerung. Durch die Festhaltung der Temperatur an einem einzigen Knoten ist die statische Bestimmtheit erreicht. Und bereits mit der Festhaltung der Temperatur eines zweiten Knotens des Modells liegt statische Überbestimmtheit vor.

Ein Beispiel für eine statisch unbestimmte Lagerung bei einem Temperaturfeld ist ein Modell, dem hier 1 [W] Leistung zugeführt und dort 1 [W] entnommen wird. Die Leistungsbilanz ist erfüllt, die Temperaturgradienten sind bestimmbar, aber es bleibt unbestimmt, welches Temperaturniveau sich einstellt.

Bei einer transienten (zeitabhängigen) Simulation eines Temperaturfeldes wird nicht von Bestimmtheit der Lagerung gesprochen. Dann sind nur die Startwerte der Temperaturen von Bedeutung.

Tips und Tricks

Eine Festhaltung durch den Anwender kann zum Beispiel bei einer nichtlinearen Simulation der Strukturmechanik mit Kontakt eine wichtige Rolle spielen. Kontakt ähnelt einer Festhaltung, ist aber nur in Druckrichtung wie eine Festhaltung wirksam und überträgt Druckkräfte. In Zugrichtung wird die Verbindung freigegeben, es werden keine Zugkräfte übertragen.

Stellen Sie sich vor, dass zwei Bauteile über einen Kontakt in Berührung stehen (so wie das Stativ oben, wenn wir die Festhaltungen durch einen Kontakt ersetzen). Die Belastung sei eine genau senkrecht auf der Kontaktfläche stehende Kraft (so wie das Stativ oben unter Wirkung des Eigengewichtes). Dann ist eine Druckkraft oder Flächenpressung am Kontakt zu erwarten. Quer (beim Stativ horizontal) ist keine Kraft wirksam.

Bei der Lösung wird dieses Modell mit einer Folge von Gleichgewichtsiterationen gelöst. Wenn bei diesen Iterationen (aus noch so geringfügigen numerischen Rundungsoperationen) eine Querverschiebung auftritt, gibt es keinen Einfluss, der dies verhindert oder reduziert... außer der Einsicht des Anwenders. Wenn der Anwender eine solche Querverschiebung festhält und eine statisch bestimmte Lagerung beachtet, kann dieser numerische Grenzfall vermieden werden.

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