Starke Kopplung
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: strong coupling Kategorie:
Level 2 Theorie
Ein starke oder direkte Kopplung von Feldeffekten liegt dann vor,
wenn eine Finite-Elemente-Simulation mit mehreren Feldeffekten gleichzeitig durchgeführt wird und der
gegenseitige Einfluss der Feldeffekte über die Zahlenwerte der Matrizen des Gleichungssystems erfolgt.
Bei der starken oder direkten Kopplung von Feldeffekten wird bei der FEM-Simulation nur eine einzige Analyse mit Anwendung von Elementen für gekoppelte Felder durchgeführt. Das Element für gekoppelte Felder beinhaltet alle erforderlichen Freiheitsgrade und berücksichtigt die Feldkopplung durch Berechnung der entsprechenden Elementsteifigkeitsmatrizen oder Lastvektoren. Die direkte Methode ist am besten geeignet für Aufgabenstellungen mit Kopplungen in beiden Richtungen, wie z.B.
- thermische - elektrische Kopplung
- piezoelektrische Kopplung
Die thermische - elektrische Kopplung wird angewendet, um die Temperaturverteilung in einem Leiter durch Effekte Joule'scher Erwärmung resultierend aus elektrischem Gleichstrom (Direct Current, DC) zu bestimmen. Typische Anwendungen sind Heizspulen, Sicherungen und elektrische Komponenten.
Piezoelektrizität ist die Kopplung zwischen einem mechanischen Spannungsfeld (Strukturmechanik) und einem elektrischen Feld. Eine solche Verbindung tritt als natürliche Eigenschaft von Werkstoffen wie Quartz oder Keramik auf. Prägen Sie einem piezoelektrischen Material eine elektrische Spannung auf, dann verursacht diese eine Verformung (im zeitlichen Ablauf dann eine Schwingung) und umgekehrt: Wenn Sie ein piezoelektrisches Material in Schwingungen versetzen, wird elektrische Spannung generiert. Typische Anwendungen für piezoelektrische Analysen sind Druckmessfühler. Mögliche Analysearten für Piezoelektrizität sind statische Simulation, Modalanalyse, Frequenzganganalyse und transiente Simulation.
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Grundlagen
Die in der obenstehenden Abbildung dargestellte Matrizengleichung repräsentiert eine Multiphysik-Simulation mit der Finite-Elemente-Methode und zeigt
- eine Matrix, die aus Anteilen verschiedener Feldeffekte wie Magnetfeld, elektrischem Feld, Temperaturfeld und Strukturmechanik besteht und insgesamt die Gesamt-Steifigkeitsmatrix darstellt,
- einen Vektor, der aus Freiheitsgraden verschiedener Feldeffekte wie magnetisches Skalar-Potential, elektrischer Spannung, Temperatur und Verschiebungen der Strukturmechanik besteht und
- auf der rechten Seite einen Vektor, der aus Last-Anteilen verschiedener Feldeffekte wie magnetische Ladungen, elektrischer Strömen, Wärmeströmen und mechanischen Kräften besteht.
Bei einer starken Kopplung dieser Feldeffekte wird der gegenseitige Einfluss durch Zahlenwerte der Steifigkeitsmatrix simuliert. Die hierfür maßgebenden Zahlenwerte stehen nicht auf der Hauptdiagonalen der Matrix und ergeben meistens eine unsymmetrische Matrix. Dies erfordert speziell darauf vorbereitete Element-Typen und erhöht den numerischen Aufwand, der für die Lösung erforderlich ist. Diese Vorgehensweise ist aber meistens vorteilhaft, wenn es bi-direktionale Einlüsse der Feldeffekte gibt, also zum Beispiel
- wenn die elektrischen Ströme (elektrisches Feld) das Bauteil aufheizen (Temperaturfeld), aber die steigenden Temperaturen (Temperaturfeld) wiederum den
elektrischen Widerstand (elektrisches Feld) beeinflussen oder
- wenn an einer Kontaktstelle, an der zwei Bauteile sich berühren, Wärme übertragen wird (Temperaturfeld), sich dadurch die Gegenseite aufheizt, verformt (Strukturmechanik), dadurch der Kontakt unterbrochen wird (Strukturmechanik) und die Wärmeübertragung gestoppt wird (Temperaturfeld).
Als Beispiel ist in der nebenstehenden Abbildung eine Matrizengleichung gezeigt, die eine Piezoelektrizität-Simulation darstellt als eine gekoppelte Berechnung des elektrischen Feldes und der Strukturmechanik. Die obere Zeile repräsentiert das elektrische Feld mit dem Freiheitsgrad V. Die untere Zeile repräsentiert die Strukturmechanik, wobei die Freiheitsgrade (die Verschiebungen in den Raumrichtungen UX,UY,UZ bei einem 3-dimensionalen Modell) gemeinsam durch die eine Zeile mit u als Bezeichnung prinzipiell dargestellt sind.
Die Terme KE-S und KS-E der Steifigkeitsmatrix stellen die Verbindung beider Feldeffekte her. Dadurch ergibt sich durch eine elektrische Spannung eine Auswirkung auf die mechanischen Verschiebungen und ebenso aus Verschiebungen bzw. Verschiebungsdifferenzen (Dehnungen) wiederum elektrische Spannungsdifferenzen. Dies sind die Koppelterme in dem Gleichungssystem. Üblicherweise ist KE-S nicht gleich KS-E, so dass sich eine unsymmetrische Steifigkeitsmatrix und dadurch höherer numerischer Aufwand bei der Lösung ergibt.
Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Lösung wird in einem Lösungsschritt erreicht
- Robuste Konvergenz des gekoppelten Systems
Nachteile:
- spezielle Lösungs-Algorithmen für jede Kopplung sinnvoll
- schlechte Matrix-Konditionierung durch unterschiedliche Zahlenwerte der "Steifigkeit" (Steifigkeitsmatrix)
- große Aufgabenstellungen werden numerisch anspruchsvoll (Rechenzeit, Speicherbedarf)
- die Zeitschrittweite muss für alle Physik-Bereiche gleich sein
Tips und Tricks
Bei einer rekursiven Kopplung (also Einflüsse der Feldeffekte in Hin- und Rückrichtung) muss bei der starken Kopplung ein aufwändigeres Gleichungssystem gelöst werden (die einzelne Iteration dauert etwas länger, die Folge bis zur Konvergenz ist relativ kurz).
Sonstige Begriffe
Eine Alternative zur starken Kopplung ist die schwache Kopplung.
Die starke Kopplung ist eine der Methoden, um eine möglichst hohe Effizienz der Simulation zu erreichen.