Singularität
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: singularity Kategorie: Level 3 Theorie
Allgemeine Informationen wie bei wikipedia:Singularität betreffen nicht direkt den Bereich der CAE-Simulationen.
Simulation
Im Bereich der CAE-Simulationen spricht man von einer Singularität
- im Sinne der FEM-Simulation: das heißt im Sinne der konstruktiven Bedingungen des Modells der FEM-Simulation, wenn keine technisch sinnvollen Ergebnisse zu erzielen sind , und
- im Sinne der numerischen Lösung: wenn zum Beispiel durch ungenügende Randbedingungen das Gleichungssystem nicht gelöst werden kann.
Singularität im Sinne der FEM-Simulation
Im Sinne der konstruktiven Bedingungen des Modells liegen die Bedingungen einer Singularität zum Beispiel vor
- an einer sehr scharfen Ecke oder einer Kerbe mit einem sehr kleinen Radius - zum Beispiel am Rand oder an der Wurzel einer Schweißnaht - oder
- an einer Rissspitze.
An einer solchen Position ergeben sich dort im Modell bei der Auswertung unendlich hohe Spannungen. Typische Singularitäten in einer Simulation treten auf (siehe auch Abbildung rechts)
- an eckigen Außenkonturen von Volumen-Elementen, Schalen-Elementen oder ebenen Elementen: dies sind ideal scharfe Kerben,
- an Verbindungsstellen zwischen unterschiedlichen Element-Typen, zum Beispiel Schalen-Element zu Balken-Element, Volumen-Element zu Balken-Element, Schalen-Element zu Volumen-Element,
- an Positionen, die mit einzelnen Kräften oder Linienkräften belastet sind oder
- an Grenzen zwischen festgehaltenen und freien Randbereichen.
Typisch für eine Singularität ist, dass innerhalb eines Elementes die Spannungen deutlich abfallen (hoher Spannungsgradient).
In der Realität treten Singularitäten im theoretischen Sinne nicht auf, denn
- jede Kerbe enthält eine Ausrundung, sei sie auch noch so klein, und
- das Material plastifiziert lokal, wodurch sich die Spannungen abbauen und umverteilen.
Da beide Effekte in vielen Berechnungen nicht berücksichtigt werden, wird mit zunehmender Netzdichte an dieser scharfkantigen Kerbe der unendlich hohe Spannungswert immer genauer, d.h. immer höher, berechnet. Das äußert sich darin, dass mit zunehmender Netzdichte der Spannungswert immer weiter ansteigt und keine Konvergenz erreicht wird. In solchen Fällen macht eine globale Genauigkeitsbetrachtung keinen Sinn. Diese singulären Stellen können nicht sinnvoll ausgewertet oder bewertet werden.
Singularitäten können die Fehlerabschätzung anhand der Fehlerenergie ungünstig beeinträchtigen.
Wie geht man in der Praxis der Simulation vor?
Bei einem Bauteil mit einer sehr scharfen Ecke oder einer Kerbe mit einem sehr kleinen Radius kann man das FEM-Modell relativ grob vernetzen und auf die berechneten Ergebnisse der Spannung einen zusätzlichen Kerbfaktor anwenden.
Für den Rand oder die Wurzel einer Schweißnaht liegen sehr stochastische (zufällig verteilte) Bedingungen vor. Im Maschinenbau, Fahrzeugbau und Schiffbau ist es üblich, beim FEM-Modell eine Kerbe mit einem Radius von 1 mm zu modellieren und damit pauschal die Kerbbedingungen zu erfassen.
Für die Simulation der Bedingungen an einer Rissspitze werden die Methoden der Bruchmechanik angewendet. Durch ein FEM-Modell mit Elementen mit Zwischenknoten (Kantenmittenknoten), bei denen der Kantenmittenknoten auf eine 1/4-Position verschoben wird, kann durch die Ansatzfunktionen die (theoretisch) unendlich hohe Spannung an der Rissspitze simuliert und mechanisch angemessen abgebildet werden.
Singularität im Sinne der numerischen Lösung
Die Singularität im Sinne der numerischen Lösung ergibt sich aus der Verteilung und der Größe der Zahlenwerte in der Gesamt-Steifigkeitsmatrix. Wenn zum Beispiel das FEM-Modell durch ungenügende Randbedingungen nicht statisch bestimmt gelagert ist, dann enthält das Gleichungssystem mehr Unbekannte als Gleichungen, es kann nicht eindeutig gelöst werden. Diese Bedingung kann durch die Software erkannt werden. Meistens gibt die Software dann an den Anwender eine Warnung aus und berechnet eine Lösung, die "künstliche" zusätzliche Randbedingungen enthält.