Scheibenbremse Beispiel1

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In diesem Beispiel wird die Simulation einer Scheibenbremse dargestellt.

Die Konstruktion besteht aus einer innenbelüfteten PKW-Scheibe aus Metall.

Ziel der Simulation ist die Berechnung der transienten zeitabhängigen Temperaturverteilung in der Bremsscheibe bei einem Bremsvorgang.

Die Simulation soll mit möglichst wenig Rechenaufwand (Rechenzeit, Speicheranforderungen) durchgeführt werden, um Überschlags-Rechnungen und die Untersuchung von Varianten zu erleichtern.

Inhaltsverzeichnis

Konstruktion

Die PKW-Scheibenbremse hat einen Außendurchmesser von 340 mm.

Die Scheibe ist innenbelüftet, das heißt, dass die Beläge von beiden Seiten auf zwei Scheiben drücken, die sich über Rippen gegeneinander stützen. Der Rippenbereich ergibt eine große Oberfläche zur Umgebungsluft, so dass eine gute Kühlung gegeben ist und die Wärme von der Materialoberfläche gut an die Umgebungsluft abfließen kann.

Die Materialwerte für den Stahl der Bremsscheibe betragen hier:

Bei einem Bremsvorgang soll das Fahrzeug mit einer Masse von 2000 [kg] aus einer Geschwindigkeit von 250 [km/h] bis zum Stillstand mit einer konstanten Verzögerung in 10 [s] abgebremst werden. Bei gleicher Belastung aller vier Scheiben an den Rädern des Fahrzeugs ergibt sich eine Arbeit von W=1.204e6 [Ws] pro Scheibe bzw. eine Leistung von 120.4 [kW] während der Dauer des Abbremsvorganges.

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Idealisierung

Modell

Um ein Simulations-Modell zu erhalten, das möglichst wenig Lösungsaufwand ergibt, wird Axisymmetrie ausgenutzt. In der Abbildung rechts ist dieses Modell in die Skizze der Bremsscheibe eingezeichnet. Die Strich-Punkt-Linie ist die Drehachse der Bremsscheibe. Der farbig eingezeichnete Querschnitt in den Umrissen der Bremsscheibe ist derjenige Querschnitt, der sich bei einem gedachten Schnitt an einer Winkelposition des Umfanges ergibt. Farblich sind das massive Metall (türkis) und der Rippenbereich (violett) der Scheibe unterschieden.

Bei der Axisymmetrie wird vorausgesetzt, dass die Geometrie bei allen radialen Schnitten durch das Modell gleich ist, also von der Winkelposition um die Achse unabhängig ist. Damit wird das Modell als radialer Schnitt in der Ebene dargestellt, die durch die radiale (von innen nach außen) und die axiale (entlang der Achse) Richtung aufgespannt wird. Die Umfangsrichtung ist damit grundsätzlich normal zur Modellebene (senkrecht darauf) gerichtet. Bei dieser axisymmetrischen Modellierung müssen auch die Lasten von der Winkelposition um die Achse unabhängig sein, also um den Umfang gleich sein. (Das ist jedenfalls der "Normalfall". In Sonderfällen kann auch bei Lasten, die über den Umfang ungleichförmig sind, eine axisymmetrische Modellierung verwendet werden. Die dafür geeigneten Elemente sind diejenigen mit "harmonischen Lastansätzen". Diese Besonderheit wird aber hier nicht weiter vertieft.)

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Materialdaten

In der weiteren Abbildung rechts ist der Querschnitt mit Abmessungen (in [m]) gezeigt. Die x-Achse zeigt in die radiale Richtung, die y-Achse entlang der Achse des Rades.

Der Rippenbereich erfordert besondere Aufmerksamkeit, weil hier eigentlich keine Axisymmetrie vorliegt. Wenn man sich gedanklich Schnitte an verschiedenen Winkelpositionen durch die Bremsscheibe vorstellt, dann werden manchmal Rippen geschnitten und manchmal Zwischenräume (Lücken) zwischen den Rippen. Hier in diesem Beispiel wird eine "verschmierte" Verteilung zugrunde gelegt. Für den Rippenbereich wird damit nicht einzeln eine Rippe betrachtet, sondern pauschal die anderen Eigenschaften des Materials in diesem Bereich berücksichtigt.

In der Abbildung repräsentiert Materialbereich 1 das Stahl-Material, das massiv und um den ganzen Umfang der Scheibe durchgehend geschlossen ist.

Materialbereich 2 stellt den Bereich der Innenbelüftungs-Rippen zwischen den Außenflächen der Scheiben dar. Der Flächenanteil der Rippen beträgt etwa 1/5=0.2. Mit diesem Faktor wird die Wärmeleitfähigkeit in axialer (KYY) Richtung reduziert. Die Wärmeleitfähigkeit in radialer Richtung (KXX) und in Umfangsrichtung (KZZ) wird auf einen Wert nahe Null gesetzt. Damit wird also abgebildet, dass die Rippen länglich und schlank sind und die beiden Scheiben nur in axialer Richtung verbinden. Quer zu den Rippen findet keine Wärmeleitung statt, also nicht radial nach außen von einer Rippe zur anderen und auch nicht in Umfangsrichtung entsprechend. Zur Anpassung der Wärmekapazität wird die Dichte (DENS) ungeändert belassen und die spezifische Wärmekapazität (C) reduziert.

Randbedingungen, Lasten

An allen Außenflächen des Modells wird die Konvektion zur Umgebungsluft abgebildet. Eine Besonderheit hier ist, dass zusätzlich an den Oberflächen, die innen belüftet sind, auch die Konvektion zur Umgebung wirkt. Es muss also sozusagen im Inneren unseres FEM-Modells eine Umgebungs-Einwirkung abgebildet werden. Wieso "im Inneren des Modells"? Wir wissen, dass der Materialbereich 2 die Rippen darstellt, aber für das FEM-Modell ist diese Querschnittsfläche eine Fläche wie das massive Material, nur mit etwas anderen Materialwerten ausgestattet. Für den konvektiven Wärmeabtrag zur Umgebungsluft im Inneren des Rippenbereiches wird ein höherer Wärmeübergangswert zugrunde gelegt. Dies resultiert aus der Luftströmung, die zwischen den Rippen auftritt. Durch die radiale Anordnung der Rippen kommt es zu einer Lüfterwirkung, so dass eine verstärkte Durchströmung des Innenbereiches von der Nabe radial nach außen entsteht.

Eine weitere Besonderheit liegt an dem Modellrand vor, an dem die Bremsbeläge einwirken. Hier soll – wie an den anderen Außenrändern – konvektiv Wärme an die Umgebungsluft abgegeben werden. Aber dort, wo die Bremsbeläge anliegen, soll für einen Teil des Umfanges der Leistungseintrag durch eine Wärmestromdichte-Oberflächenlast zusätzlich abgebildet werden.

Die Beläge wirken auf den Scheibenbereich zwischen den Radien r=110 [mm] und r=160 [mm]. In diesem Bereich wird die thermische Leistung eingetragen. Im Zeitintervall des Bremsvorganges wird der Leistungseintrag als konstant angenommen. Auch die konvektive Wärmeabgabe an die Umgebung wird vereinfachend als zeitlich konstant angenommen. Dabei wird vernachlässigt, dass mit abnehmender Geschwindigkeit der Wärmeübergangswert entsprechend zu reduzieren ist.

Diskretisierung

Bei der Diskretisierung wurden ebene Elemente verwendet. Die Element-Aufteilung ist in der 2. Abbildung oben zu erkennen. Sie ist relativ grob für dieses Prinzipbeispiel. Der Rechenaufwand ist damit sehr sehr gering und im Bereich von Sekunden zu erwarten.

Lösung

Die Lösung wird als transiente Simulation des Temperaturfeldes durchgeführt.

Dabei wird zunächst in dem Zeitintervall 0 < t < 10 [s] abgebremst. Die Bremse wird voll betätigt und die ganze Zeit bis zum Stillstand – also über die gesamten 10 [s] – so gehalten. Der Wärmeeintrag durch die reibenden Bremsbeläge, abgebildet als Wärmestromdichte, wird in diesem Zeitintervall dauernd in voller Höhe aufgebracht.

Daran anschließend wird ein Stillstand des Fahrzeuges angenommen. Dieser Zeitabschnitt wird bis 100 [s] gerechnet. Durch den Stillstand des Fahrzeugs ist der Wärmeübergangswert der Konvektion zur Umgebung geringer als vorher. Auch im Bereich zwischen den Bremsscheiben-Seiten - also im Rippenbereich – ist die Konvektion geringer im Stillstand. Durch die Bremsbeläge wird keine Leistung ins Modell eingebracht, die Wärmestromdichte dort wird also zu Null gesetzt mit

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Auswertung

In der Abbildung rechts sind zwei Temperaturverteilungen dargestellt.

Das linke Teilbild zeigt die Temperaturverteilung am Ende des Bremsvorganges – also dem Zeitpunkt, an dem das Fahrzeug gerade zum Stehen gekommen ist. Die maximale Temperatur beträgt Tmax = 570°C. Die Temperaturen sind lokal im Reibbereich erhöht. Das Scheibeninnere ist noch relativ kalt.

Das rechte Teilbild zeigt die Ergebnisse am Ende der berechneten Stillstandes bei t=100 [s]. In diesem Zeitintervall gibt es im wesentlichen ein Abkühlen der Bremsscheibe und einen Ausgleich der Temperaturdifferenzen im Material. Die maximale Temperatur nach 100 [s] beträgt Tend = 184°C. Im Vergleich mit der Verteilung direkt nach dem Abbremsen, sieht man, dass sich die Temperaturen im Reibbereich weitgehend ausgeglichen haben. Zur Nabe hin ist ein Temperaturabfall weiterhin vorhanden.

Bewertung

Mit diesen Verteilungen kann der Konstrukteur der Bremse beurteilen, ob die Scheibe im zulässigen Bereich betrieben oder überhitzt wird.

Die Annahme der Axisymmetrie betraf

Die Lastfolge der Intervalle kann an Prüfstrecken angepasst oder ganz konkrete Fahrzyklen zugrunde gelegt werden.

Gegenüber diesem Prinzipbeispiel können sehr viele weitere Details in der Simulation berücksichtigt werden wie z.B.

Strukturmechanik

Zusätzlich zu dieser Simulation des Temperaturfeldes kann eine Berechnung des maximalen thermischen Scheibenverzuges (die "Scheibenschirmung") erfolgen. Diese mechanischen Verformungen durch die ungleiche Temperaturverteilung in der Scheibe sind wichtig für die Konstruktion der Bremsanlage. Sie können mit einer strukturmechanischen Berechnung bestimmt werden. Diese mechanische Berechnung kann anschließend an die Temperaturfeldberechnung (dabei werden die berechneten lokalen Temperaturen übergeben) oder gekoppelt mit der Temperaturfeldberechnung ausgeführt werden.

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