Mechanik Bewertung

Aus ESOCAETWIKIPLUS

Wechseln zu: Navigation, Suche

engl: assessment          Kategorie: Aa-leerbild.jpg Level 2 Mechanik


Die Bewertung der Simulationsergebnisse ist nach der Auswertung einer Simulations-Berechnung der Vergleich der Ergebnisse mit technischen Grenzwerten. Die Bewertung hat das Ziel, eine technische Aussage zu treffen ("Hält oder hält nicht").

Inhaltsverzeichnis

Bewertung in der Strukturmechanik

Hier werden einige Anmerkungen für die Strukturmechanik gegeben. Die Bewertung hierbei betrifft meistens die Spannungen.

Ein grundsätzlicher Unterschied besteht zwischen den Ergebnissen der Dimensionierung und der Spannungsanalyse. Für die Dimensionierung (Auslegung mit Formeln, Bemessung) werden meistens einfache Formeln verwendet. Die Ergebnisse basieren auf einer Idealisierung, die für die maßgebenden und grundlegenden Eigenschaften angemessen ist. Die Spannungsanalyse (meistens mit FEM durchgeführt) liefert die lokalen Spannungen und Ergebniswerte entsprechend der Modellgenauigkeit und dem gewählten Element-Typ.

Bewertung der Dimensionierung

Bei der Dimensionierung werden meistens einfache Formeln zugrunde gelegt, die auf ein mögliches Versagen durch Gewaltbruch, Ermüdung oder zu große Verformungen abgestimmt sind. Vielfach sind zusätzliche Sicherheiten für genau diesen Fall bereits enthalten.

Viele Formel- und Regelwerke sind in diesem Zusammenhang zu nennen, so zum Beispiel

und andere.

In den Formel- und Regelwerken werden im allgemeinen Nennspannungen betrachtet. Das sind die global auftretenden Spannungen. Bei einer Überschreitung dieser Spannungen ist meistens mit einem Gewaltbruch zu rechnen. Die Sicherheit gegen diese Versagensart ist relativ hoch und setzt sich vielfach aus rechnerischen Faktoren (Sicherheitsbeiwert) und zusätzlichen Sicherheiten (Verhältnis Streckgrenze-Zugfestigkeit, Werkstoff-Sollwerte gegenüber Werkstoff-Istwerten) zusammen.

Die Nennspannungen ergeben sich entsprechend der angewendeten Formel aus einer bestimmten Last und einem bestimmten Nennquerschnitt. Zum Beispiel liefert für einen schlanken Balken die Formel

Mechanik Bewertung-1.jpg
Mechanik Bewertung-2.jpg


die Zugspannung aufgrund einer Normalkraft F in Längsrichtung des Balkens. Die Spannung aus einem Biegemoment ergibt sich aus
Mechanik Bewertung-3.jpg

Mechanik Bewertung-4.jpg


Bewertung der Spannungsanalyse

Eine Spannungsanalyse konnte man früher nur begrenzt durchführen (zum Beispiel mit Spannungsoptik oder mit Dehnmessstreifen bei einer Belastungsprobe).

Heutzutage wird die Spannungsanalyse meistens mit einer Simulation (FEM) durchgeführt.

Vielfach lautet die Reaktion des Praktikers: ”Solche Werte können nicht vorhanden sein, sonst wäre unser schon tausendfach hergestelltes Bauteil längst defekt.” Dabei wird übersehen, dass ein Versagen durch verschiedene Effekte auftreten kann, zum Beispiel Gewaltbruch, Ermüdung, zu große Verformungen. Das FEM-Ergebnis stellt bei der Auswertung nur die Spannung im Bauteil dar. Der Berechner muss anschließend bei der Bewertung die Spannung bewerten und den angemessenen Spannungsgrenzwert vergleichend danebenhalten.

Die FEM-Berechnung liefert Bauteilspannungen (örtliche Spannungen). Wenn der Balken idealisiert und als FEM-Modell mit Flächen- oder Volumenelementen berechnet wird, sieht man als Ergebnis eine Spannungsverteilung im Balkenquerschnitt und über der Balkenlänge. Wie ist dieses Ergebnis mit den Formelspannungen vergleichbar?

Viele Formel- und Regelwerke sind in diesem Zusammenhang zu nennen, so zum Beispiel

und andere. Erst langsam werden diese Regeln den Erfordernissen der FEM-Analyse angeglichen. Es bleibt noch weiterhin viel technisches Verständnis beim Analytiker erforderlich. Die genannten Regelwerke sehen vor, dass die berechneten Spannungen

Es ist sinnvoll, die Spannungen nach ihrer Verteilung im Bauteil, nach ihrer Ursache und nach der Auswirkung einer Spannungsüberschreitung zu durchdenken. Die Verteilung von σF aus der oben verwendeten Formel ist uniform über den Querschnitt. Wenn die Last soweit gesteigert wird, dass die Zugfestigkeit erreicht wird, ist genau in diesem Zustand ein Zerreissen des Balkens zu erwarten. Eine solche Spannung wird im allgemeinen als Membranspannung bezeichnet.

Die Verteilung von σM dagegen ist linear über den Querschnitt. Eine Erhöhung des Momentes bis zu dem Wert, bei dem die höchste Spannung außen die Zugfestigkeit ergibt, führt noch nicht zum Versagen, da noch der Traglastfaktor des Querschnitts als Reserve wirkt. Daher kann die linear verteilte Spannung, die als Biegespannung bezeichnet wird, mit anderen Sicherheiten verwendet werden als die Membranspannung.

Die FEM-Berechnung liefert nur die Summe dieser Spannungen. Und falls der Balken eine geringfügige Einschnürung oder Kerbe hat, zeigt das FEM-Ergebnis zusätzlich dort eine lokale Überhöhung der Spannungen. Ist diese lokal konzentrierte Erhöhung ebenso wichtig wie die vorher genannten Membran- und Biegespannungen? Nein, denn im realen Bauteil treten an dieser Stelle lokale Dehnungen auf, die am Gesamtverhalten des Balkens nichts ändern. Durch diese Dehnungen gibt das Material lokal an der (als winzig vorausgesetzten) Kerbstelle nach. Örtlich tritt eine plastische Verformung auf, die Spannungen begrenzen sich selbst. Wenn die FEM-Berechnung nicht das plastische Materialverhalten abbildet, sondern von elastischem Verhalten ausgeht, sind die lokalen Spannungen nur ein Maß für die Dehnungen, die lokal zu erwarten sind (Spannungsumlagerung wird hier vereinfachend nicht diskutiert). Die lokale Spitzenspannung wird den Praktiker zu dem Ausruf verleiten: “Eine solche Spannung kann unmöglich auftreten!” Aber der Analytiker kann das Ergebnis deuten. Er berücksichtigt die Berechnungsannahmen und kann das Ergebnis mit der Realität in Einklang bringen.

Mechanik Bewertung-8.jpg

Beispiele

Beispiel eines Regelwerkes

Als Beispiel eines Regelwerkes zur Bewertung von Spannungen aus Simulationen wird hier die

dargestellt. In diesem Regelwerk wurde die Bewertung von Anfang an auf numerische Simulationen abgestimmt. Dazu gehört eine Festlegung von zulässigen Grenzwerten für die mechanische Spannung, die auf der Kategorisierung der Spannungen aufbaut.

Als Beispiel für die Darstellung der Grenzwerte ist die Abbildung rechts gezeigt. Die Tabelle enthält zulässige Werte für Vergleichsspannungen und Vergleichsspannungsschwingbreiten für ferritische Stähle. Der Werkstoffkennwert Sm ergibt sich im allgemeinen aus 0,67 * Streckgrenze. Für die Auslegung (Dimensionierung) werden zulässige Werte für die Primärspannungen genannt. Für die Bewertung der Spannungsanalyse werden zulässige Werte für alle weiteren Spannungskategorien angegeben.

Das Konzept der Spannungs-Kategorien ist in vielen anderen Regelwerken (ASME, BS, FKM, ..) ebenso zu finden, es hat sich gut bewährt.

Mechanik Bewertung-7.jpg

Beispiel Rechteck-Rahmen

Als typisches Beispiel für Spannungs-Kategorien und deren Bewertung betrachten wir den Rechteck-Rahmen rechts in der Abbildung. Das Material ist ein Stahl mit Streckgrenze (elastische Grenze) 180 MPa und Zugfestigkeit (Versagensgrenze) 370 MPa. Als Last wirkt oben auf dem Querträger eine verteilte Kraft nach unten.

Eine ausführliche Erläuterung der Möglichkeiten, diesen Rahmen als FEM-Modell Mit Volumen-, Schalen- oder Balken-Elementen zu idealisieren, finden Sie hier auf einer Folge von 8 Seiten dargestellt.

In den seitlichen vertikalen Stützen ergibt sich eine Membranspannung in Längsrichtung der Stützen, also eine über den Stützenquerschnitt gleichverteilte Spannung. Diese Spannung hält der äußeren Last das Gleichgewicht, sie ist daher eine Primärspannung. Wenn diese Spannung die Zugfestigkeit erreicht, kracht der Rahmen zusammen (wir lassen Beulen hier unberücksichtigt). Üblicherweise wird sicherheitshalber die Streckgrenze und zusätzlich ein Sicherheitsfaktor von 1,5 gefordert. Damit darf die Membranspannung nicht 120 MPa überschreiten, die Gesamtsicherheit ergibt sich zu 370/120 = 3,08.

In dem Querträger ergibt sich eine Biegespannung, also eine über den Trägerquerschnitt linear verteilte Spannung. Diese Spannung hält der äußeren Last das Gleichgewicht, sie ist daher eine Primärspannung. Wenn diese Spannung (theoretisch) im gesamten Querschnitt die Zugfestigkeit erreicht, kracht der Rahmen zusammen. Üblicherweise wird sicherheitshalber die Streckgrenze für das Maximum am Rand und zusätzlich der Traglastfaktor von 1,5 als Sicherheitsfaktor verwendet. Damit darf die maximale Biegespannung außen nicht 180 MPa überschreiten, die Gesamtsicherheit ergibt sich zu (370/180)*1,5 = 3,08.

An den Ecken und Fußpunkten ergeben sich lokal zusätzliche Spannungen dadurch, dass die Stützen und der Querträger fest miteinander verbunden sind und sich dadurch behindern. Diese Spannungen sind nicht zum Tragen der äußeren Last notwendig, sie sind daher als Sekundärspannungen anzusehen. Durch diese Spannung kracht der Rahmen nicht zusammen, sie können aber Anrisse ergeben. Es ist üblich, für die Summe aus primären und sekundären Spannungen einen Grenzwert von 2-mal Streckgrenze unter Berücksichtigung von Shakedown zu verwenden. Für Spitzenspannungen ist eine Ermüdungsanalyse erforderlich.

Die Bewertung dieser Spannungs-Kategorien muss in dieser Reihenfolge stattfinden, denn nur wenn die ersten Grenzwerte eingehalten sind, ist es sinnvoll, auch die folgenden Grenzwerte zu untersuchen.


Mechanik Bewertung-5.jpg

Beispiel Gasflasche

Ein Beispiel des Alltags: eine Gasflasche steht unter dem Innendruck des verflüssigten Gases. Dieser Behälter ist im wesentlichen aus einem zylindrischen Mittelteil und (fast ebenen) Böden an beiden Enden aufgebaut. Wenn die Gasflasche in der Sonne erwärmt wird oder auf andere Art der Innendruck kräftig erhöht wird, werden zunächst die unter Biegung stehenden Bereiche (die Deckel) sich deutlich verformen. Am Deckel-Wand-Übergang werden hohe Dehnungen auftreten (gegenseitige Verformungsbehinderung von Wand und Deckel). Irgendwann wird aber die Wandung längs aufreißen (Membranspannung in Umfangsrichtung überschreitet die Zugfestigkeit). Wenn statt dieser harten Behandlung die Gasflasche auf den Boden fällt, wird vielleicht nur eine Ecke eingebogen, ohne dass die Gasflasche undicht wird. Das ist dann eine lokal hohe Verformung mit hohen Dehnungen.

Aber auch eine Membranspannung ist nicht generell von so hoher Bedeutung wie bisher dargestellt. Wenn der oben zugrunde gelegte Balken in Längsrichtung zwischen feste, unverschiebliche Wände gelagert wird und erwärmt wird, ergibt sich eine Längsspannung nach der Formel

Mechanik Bewertung-6.jpg


Diese Spannung ist uniform im Querschnitt und damit eine Membranspannung. Bei üblichen Anwendungen des Maschinen- oder Stahlbaus ist mit einem Elastizitätsmodul von E = 210000 MPa, einem Wärmeausdehnungskoeffizienten von α= 1.2 10-5 1/K bereits bei einer Erwärmung um ΔT = 147° die Zugfestigkeit eines üblichen Baustahls von σZ = 370 MPa erreicht. Zerreißt der Balken in diesem Zustand? Auch wenn die Temperatur um 300° oder mehr erhöht wird, bleibt er zwischen den festen Begrenzungswänden liegen (Eigengewicht vernachlässigt), erst bei ganz hohen Temperaturen wird er vielleicht schmelzen und dadurch “versagen”. (Übrigens: hier auf diesen Seiten ist ein Beispiel einer Probe aus Stahl zwischen festen, unverschieblichen Wänden bei Erwärmung vorgestellt, zwar mit dem Fokus auf Phasenumwandlung, aber trotzdem sehr interessant!)

Dieser Fall zeigt, dass auch von der Ursache her zu unterscheiden ist zwischen

In manchen Fällen kann es sehr schwierig sein, reale Versagensgrenzen nachzurechnen oder aus der Berechnung die Grenzen abzuleiten. Wenn auch die Berechnung für sich genau und ausführlich durchgeführt wird, sind die Ergebnisse von den Annahmen abhängig. Soll ein Berstdruck berechnet werden? Dann ist nach den Ist-Werkstoffwerten, den tatsächlich ausgeführten Schweißnähten und anderen Details zu fragen. Soll ein Beulfall berechnet werden? Dann sind die vorhandenen Imperfektionen der Abmessungen, der Materialdaten, des Gefüges und anderen Dinge zu erfragen.

Simulation

Für den FEM-Anwender ergibt sich daraus, dass beim Vergleich von FEM-Ergebnissen mit Ergebnissen anderer Berechnungsverfahren viel Grundlagenwissen und Ingenieurgefühl erforderlich ist. Das Grundlagenwissen umfasst die Annahmen, auf denen die FEM-Berechnung basiert, und die Art der Ergebnisse.

Zu den Annahmen, auf denen die FEM-Berechnung basiert, gehört zum Beispiel die Auswahl der Element-Typen und damit die Entscheidung, ob das Bauteil (nehmen wir als Beispiel den schlanken Biegebalken, der oben skizziert ist) mit

idealisiert wird. Je nach Zielsetzung der Analyse kann jeder dieser Element-Typen gerechtfertigt sein.

Die 3-dimensionalen Volumenelemente und die ebenen Flächenelemente werden Bauteilspannungen mit den lokalen Spitzen an der Einspannung liefern. Wenn die Biegespannung im Querschnitt gesucht ist, muss die Spannungsverteilung entlang einer Linie quer zur Balkenachse untersucht werden. Der Verlauf der Spannung muss arithmetisch aufgearbeitet werden und die lineare Funktion bestimmt werden, die ein entsprechendes Biegemoment ergibt (Spannungslinearisierung).

Bei Verwendung von linienförmigen Balkenelementen ergeben sich Normal- und Biegespannungen in den Elementen. Eine Linearisierung ist daher nicht erforderlich. Die lokalen Spannungsspitzen an der Einspannung ergeben sich hierbei aber nicht.

Bei dünnwandigen Bauteilen und (allgemeiner ausgedrückt) bei solchen Bauteilen, bei denen über die Membran- und Biegespannungen hinaus die lokalen Spannungsspitzen nicht gefragt sind, sind Schalenelemente eine gute Wahl. Wie bei Balken ergeben sich die Normal- und Biegespannungen in den Elementen. Diese Ergebniswerte sind vielfach die Zahlen, die zur Bewertung und zur Festigkeitsaussage nach Regelwerken maßgebend sind. An Verbindungsstellen (z.B. Schweißnähten, Schraubverbindungen) oder Querschnittsübergängen (z.B. Wanddickensprünge) sind meistens zusätzliche Faktoren in den Regelwerken anwendbar, mit denen die zulässigen Spannungen reduziert werden. Andernfalls kann durch eine lokale Verfeinerung des FEM-Modells (Submodelltechnik) auch die lokale Spannung berechnet werden.

Persönliche Werkzeuge
Namensräume
Varianten
Aktionen
Navigation