Grundidee der FEM 6
Aus ESOCAETWIKIPLUS
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Beispiel Biegebalken: Lösung nach der Finite-Element-Methode
Der Vergleich der resultierenden Ansatzfunktion, die sich aus den hier gewählten Funktionsverläufen in den Teilgebieten (den Elementen) ergibt, mit der theoretischen Lösung zeigt eine gute Übereinstimmung. Es wird sowohl der gekrümmte Balkenbereich als auch der gerade, über das rechte Auflager hinausragende Bereich sehr genau abgebildet. Durch eine weitere Aufteilung in kleinere Teilgebiete (Elemente) kann auch ein noch komplizierterer theoretischer Verlauf der Ansatzfunktion repräsentiert werden. Diese Anpassungsfähigkeit ergibt die besondere Eignung der FEM für den technischen Alltag.
Im Vergleich zu den klassischen Näherungsverfahren zeigen sich folgende charakteristische Eigenschaften der FEM:
- Die Ansatzfunktionen der klassischen Methode erstrecken sich über das Gesamtgebiet des zu untersuchenden Bauteils. Bei der FEM spannen sich die Ansatzfunktionen jeweils nur über die Teilgebiete, die Elemente.
- Die zu berechnenden Unbekannten sind in der klassischen Methode physikalisch nicht deutbare Koeffizienten. Bei der FEM sind es die Freiheitsgrade des Modells an den Knoten, die als mechanische Verschiebungen oder Verdrehungen, Temperaturen oder magnetisches Potential vorgegeben werden.
- Eine Genauigkeitssteigerung erfordert bei der klassischen Methode höhere Ansätze, mehr Koeffizienten oder andere Ansatzfunktionen. Bei der FEM kann eine Genauigkeitssteigerung durch eine feinere Aufteilung des Modells, also mehr Teilgebiete bzw. mehr Elemente insbesondere im Bereich hoher Gradienten, erreicht werden. Die Aufteilung ist gut grafisch kontrollierbar.
- Die FEM ist besonders gut geeignet für diskontinuierliche Strukturen, da diskontinuierliche Bereiche (z. B. unterschiedliche Materialbereiche) mit den Elementen abgegrenzt werden können. Dazu zählen auch Strukturen, die bereichsweise Nichtlinearitäten zeigen, also zum Beispiel eine örtlich plastisch beanspruchte mechanische Struktur.
- Die FEM lässt sich modular aufbauen, ist für unterschiedliche Fragestellungen allgemein formulierbar, ist computergerecht und hinsichtlich höherer Theorien leicht ausbaubar.
Aufgabe des Anwenders
Der Anwender von FEM-Programmen hat sich nicht im einzelnen um die Auswahl der Ansatzfunktionen und die Lösung des Gleichungssystems zu kümmern. Es sind nur die Eingabedaten bereitzustellen, die zum Aufbau des Gleichungssystems benötigt werden (siehe unten). Nachdem zunächst das reale Berechnungsproblem idealisiert worden ist (das bleibt immer die Vorarbeit des technisch tätigen Mitarbeiters), indem er z. B. ein lineares Materialverhalten und Zeitunabhängigkeit der Belastung feststellt und die Struktur als eindimensional betrachtet, muss er das passende Element und die Anzahl der Elemente auswählen. Die Aufteilung in Elemente muss sich auch an den Diskontinuitäten, z. B. Materialwechsel, und an der Belastung (Einprägung von Einzelkräften) orientieren. Diesen Schritt nennt man Diskretisierung. An das Programm müssen dann Informationen über die gewählten Elementtypen, das Material, die Querschnittsgrößen, wie z. B. Trägheitsmomente, und Randbedingungen und Belastungen weitergegeben werden. Die weitaus umfangreichste Eingabe erfordert die Definition der Geometrie und die Aufteilung in die Elemente mit Anfangs- und Endknoten und deren Koordinaten. Mit diesen Daten übernimmt das FEM-Programm die Aufgabe, das Gleichungssystem und den Lastvektor aufzustellen. Aus der Lösung des Gleichungssystems ergeben sich die unbekannten Knotenverschiebungen. Mit diesen ist die Ansatzfunktion innerhalb der Elemente bestimmt. Aus Ableitungen können Spannungen, Dehnungen und andere gewünschten Größen für jedes Element bestimmt werden.
Damit sind die erforderlichen Eingaben und die Vorbereitung der Berechnung (preprocessing) erfolgt. Die Daten zu Elementtypen, Material und Querschnittsabmessungen gehen in die Matrix [K] ein. Mit den Randbedingungen und Lasten wird der Vektor {F} erstellt. Anschließend wird vom FEM-Programm das Gleichungssystem gelöst:
Aus den Verschiebungen und Verdrehungen werden Spannungen und weitere abgeleitete Ergebnisdaten berechnet. Alle Daten stehen dann zur Auswertung (postprocessing) zur Verfügung. Anhand der Ergebnis-Zahlenwerte kann der Anwender eine Bewertung durchführen und damit die technische Fragestellung beantworten, die der Berechnung zugrunde lag, z.B. dass die Verformungen gering sind oder die Spannungen einen zulässigen Wert nicht überschreiten.
Weiteres Selbststudium
Möchten Sie mehr über die Grundlagen der Finite-Element-Methode wissen? Dann können Sie im Selbststudium folgende Seiten durchsehen:
FEM-Theorie mit einem einfachen Beispiel (17 Seiten): FEM-Anwendung mit Zahlen im Detail
FEM-Theorie: Steigerung der Genauigkeit der Ergebnisse (xx Seiten): Varianten des einfachen Beispiels mit Zahlen im Detail
Grundsätze (statements) der Finite-Element-Methode (7 Seiten): wesentliche Eigenschaften der Finite-Element-Methode
Die Geschichte der FEM (8 Seiten): die FEM vom letzten Jahrhundert bis heute