Primär- und Sekundärspannung

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engl: primary stress, secondary stress          Kategorie: Level 1    Selbststudium_anschaulich    Theorie    Mechanik

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In der Ingenieurmechanik ist es vielfach üblich, eine mechanische Spannungsverteilung in einem Bauteil-Querschnitt je nach Ursache der Spannung als

zu betrachten. Diese Kategorisierung spielt insbesondere bei der Bewertung nach Regelwerken eine Rolle.

Hier wird ein Beispiel dargestellt, an dem diese Begriffe erläutert werden.

Beispiel: Flansch

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Als Beispiel wird eine Rohrleitung mit einem Flansch betrachtet. Das Foto zeigt die Anordnung. Die Zeichnung zeigt den Schnitt durch die Mitte dieser Konstruktion. Die Rohrleitung und der Flansch sind im wesentlichen rotationssymmetrisch, nur die Schrauben stören diese Rotationssymmetrie. Durch die mechanische Wirkung der Schrauben in ihrer Verteilung um den Umfang kann aber auch hierbei von Rotationssymmetrie gesprochen werden.

Wir betrachten hier zunächst die Beanspruchungen durch eine Vorspannung Fv der Schrauben am Flansch. Mit einer solchen Vorspannung wird der Flansch bei der Montage verschraubt, damit die Rohrleitung verbunden wird und an der Verbindung dicht ist. Die Kraft Fv, die durch die Schrauben insgesamt am Flanschblatt wirkt, wird durch eine entsprechende Kraft in der Dichtung ausgeglichen, beide Kräfte stehen im Gleichgewicht. Im Flansch ergibt sich durch diese Kräfte eine Spannungsverteilung, die im wesentlichen Membranspannungen in Umfangsrichtung und Biegespannungen in Axialrichtung umfasst. Diese Spannungen sind nicht eindeutig als Primär- oder als Sekundärspannungen einzuordnen. Einerseits sind es Spannungen, die das Gleichgewicht mit der Schraubenkraft (Lastgröße) herstellen (charakteristisch für Primärspannungen). Andererseits ist durch das Anziehen der Schrauben als auch durch die Grenze beim Berühren und Aufliegen der Flanschseiten eine vollständige Plastifizierung des Flansch-Querschnitts unmöglich (charakteristisch für Sekundärspannungen).

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Betrachten wir im Vergleich hierzu die Beanspruchungen alleine durch einen Innendruck, ohne dass eine Vorspannung wirkt. Für die Diskussion dieses Falles teilen wir den rot umrandeten Bereich in die beiden blau umrandeten Teile: den Rohrabschnitt und das Flanschblatt. Dies ist in der Skizze rechts dargestellt.

In dem Rohrabschnitt alleine ergibt sich bei Innendruck eine Membranspannung in Umfangsrichtung (Kesselformel) und eine Membranspannung in Axialrichtung. Beide Anteile sind eindeutig als Primärspannung einzuordnen. Das Flanschblatt alleine erfährt durch den Innendruck ebenfalls eine Umfangsspannung. Die Last, die sich aus dem Innendruck in Längsrichtung ergibt, wird im Flanschblatt versetzt vom Rohranschluss zu den Schrauben umgeleitet und ergibt Umfangs- und Axialspannungen. Auch diese Spannungen sind als Primärspannungen zu betrachten. Der Nachweis dieser Primärspannungen ist Schritt 1 der Bewertung eines solchen Bauteils.

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Die Aufteilung in den Rohrabschnitt und das Flanschblatt ist allerdings eine hypothetische Trennung. In Wirklichkeit hängen beide Teile immernoch zusammen. Was ergibt sich daraus? Jedes Teil für sich erträgt den Innendruck (das haben wir durch die Bewertung der Primärspannungen erledigt. Dabei würde sich jedes Teil gerne verformen, so wie rechts mit den verschobenen blauen Umrissen skizziert. Aber durch den Zusammenhang üben beide Teile aufeinander Zwängungen aus. Zum Beispiel möchte sich der Rohrabschnitt aufweiten, aber der Flansch nicht so sehr. Beide müssen sich einigen: der Rand des Rohres wird etwas radial nach innen gezogen und entsprechend der Rand des Flansches nach außen. Dies ist rechts in der Skizze als rote radiale Kraft skizziert. Außerdem möchte sich der Flansch schräg stellen, der Rohrabschnitt aber nicht. Beide müssen sich auch hier einigen: der Flansch wird etwas zurückgedreht und das Rohr wird einwärts ge"krempelt". Dies ist rechts in der Skizze als rotes Moment skizziert. Diese Einflüsse resultieren aus Verformungs-Differenzen, sie sind weggesteuert. Die Spannungen, die daraus resultieren, sind Sekundärspannungen. Der Nachweis dieser Sekundärspannungen ist Schritt 2 der Bewertung eines solchen Bauteils.


Sonstige Begriffe

Je nachdem, wie in Bezug auf den Bauteil-Querschnitt die Spannung verteilt ist, wird in der Ingenieurmechanik von Membranspannung, Biegespannung oder Spitzenspannung gesprochen.

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