Explizite Lösung
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: explicit solution Kategorie: Level 2 Theorie
Allgemeine Informationen wie bei wikipedia:Explizites Euler-Verfahren betreffen nicht direkt den Bereich der CAE-Simulationen.
Inhaltsverzeichnis |
Simulation
Die explizite Lösung betrifft Zeitverlauf-Simulationen der Strukturmechanik mit der Finite-Element-Methode (FEM). Bei einer expliziten Lösung wird - ausgehend vom Zeitschritt tn - zum nächsten Zeitschritt tn+1 der aktuelle Zustand tn verwendet und auf den Zeitpunkt tn+1 extrapoliert.
Im Folgenden wird eine transiente Simulation der Strukturmechanik zugrunde gelegt. Hierbei wird die explizite Lösung vorgestellt (im Gegensatz zur impliziten Lösung).
Eine besonders anschauliche Gegenüberstellung der expliziten und impliziten Lösung finden Sie hier.
Rechts in der Abbildung sind typische Fälle von Simulationen im Alltag gezeigt:
- eine Modalanalyse (eine Simulation im Frequenzbereich) kann nur implizit erfolgen,
- eine statische Simulation wird immer implizit erfolgen (kann nur mit Tricks explizit ausgeführt werden),
- eine quasi-statische Simulation der Strukturmechanik wird meistens implizit erfolgen, kann mit gewissen Tricks auch explizit ausgeführt werden und
- eine hochtransiente Simulation der Strukturmechanik wird meistens explizit erfolgen, eine implizite Lösung ist dann oftmals unwirtschaftlich.
Grundlagen
Bei einer transienten Simulation der Strukturmechanik ist die Bewegungsgleichung zu lösen:
Dies ist die Differentialgleichung, die für die Massen- bzw. Trägheits-, Dämpfungs- und Elastizitäts-Einflüsse das Kraftgleichgewicht darstellt (Bewegungsgleichung).
Bei der Anwendung der FEM wird aus dieser Differentialgleichung durch die Diskretisierung ein Gleichungssystem.
Bei einem zeitabhängigen Vorgang ist eine Diskretisierung des zeitlichen Verlaufes (also eine Berechnung in zeitlichen Schritten) und eine Integration notwendig. Für diese Integration kann eine explizite Lösung gewählt werden:
Das Grundprinzip der expliziten Lösung ist, dass die kontinuierliche Zeitfunktion schrittweise zu bestimmten Zeitpunkten berechnet wird. Bei der expliziten Lösung werden für den neuen Zeitschritt n+1 die Bedingungen des aktuellen Zeitschrittes n zugrunde gelegt und auf dieser Basis die neue Verschiebung un+1 berechnet.
Man erhält das Ergebnis für den neuen Zeitpunkt n+1. Es liegt für diesen Zeitpunkt nicht notwendigerweise Gleichgewicht vor. Das Vorgehen bedingt einen Verlust an Information.
Vorteile und Nachteile
Vorteil der expliziten Lösung ist, dass die Gesamt-Steifigkeitsmatrix nicht invertiert werden muss. Die Rechenzeit je Zeitpunkt ist gering.
Nachteil der expliziten Lösung ist, dass bei der Simulation des Zeitverlaufes kein Gleichgewicht berechnet wird. Die Zeitschrittweite muss klein gewählt werden.
Die Anforderungen bei der expliziten Lösung sind
- Stabilität
- Effizienz
- Genauigkeit
Eine übliche Methode der expliziten Lösung ist die zentrale Differenzenmethode. Wesentlich für alle Zeitintegrationen ist, dass Ansätze für Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen aufgestellt werden, die auf verschiedenen Annahmen beruhen. Die Bewegungsgleichung wird mit diesen Näherungen gelöst.
Typische Eigenschaften
Typische Eigenschaften der expliziten Lösung sind
- i.d.R zentrales Differenzenverfahren
- Gleichgewicht zur Zeit tn
- nur dynamisch transiente Simulation möglich (nur im Zeitbereich, nicht im Frequenzbereich)
- dynamisches Gleichgewicht („reguliert/kontrolliert“)
- keine Iterationen
- nur Elementmatrizen
- nur Massenmatrix zu invertieren (trivial für Diagonalmatrizen)
- entkoppelte Gleichung
- einfache numerische Genauigkeit (single precision) oft ausreichend (Rundungsfehler)
- Rechenzeit je Zeitschritt gering
- Aufwand abhängig von Anzahl Elemente und Anzahl Integrationspunkte und Elementkantenlänge (nicht das [[Kantenlängenverhältnis innerhalb eines Elementes, sondern für alle Elemente des Modells das Verhältnis von kürzester zu längster Elementkante)
- Nichtlinearitäten sind einfach abzubilden (stabile Lösung)
- hochfrequente Antwort
- geringe Speicheranforderungen, Prozessorgeschwindigkeit wichtig
- typisch: 50000 Zeitschritte
- eingeschränkte Zeitschrittweite, das Integrationsverfahren ist nur dann stabil, wenn die Zeitschrittweite zuverlässig kleiner ist als der sogenannte kritische Zeitschritt
Für die Stabilität der expliziten Lösung ist eine kritische Zeitschrittweite wesentlich. Diese orientiert sich an der höchsten Eigenfrequenz im System:
Diese höchste Eigenfrequenz ist abhängig von der kleinsten Element-Kantenlänge und den Materialeigenschaften und kann abgeleitet werden aus der Schallgeschwindigkeit.
Daraus folgt, dass die Vernetzung möglichst gleichmäßig sein sollte. Schon beim Idealisieren und Vernetzen ergeben sich kleine Zeitschrittweiten durch kurze Elementkanten, geringe Dichte oder erhöhte Steifigkeiten (Kontakt). Eine Möglichkeit, um bei einer gegebenen Vernetzung die Mindest-Zeitschrittweite zu vergößern, ist die Massenskalierung.
Es ist meistens ausreichend, Elemente mit reduzierter Integration und einfachen Ansatzfunktionen zu verwenden.
Kontakte oder Nichtlinearitäten können durch geringe Ungenauigkeiten "schleichend" Energie erzeugen, der Ablauf der expliziten Lösung liefert trotzdem ein Ergebnis. Eine Kontrolle dieses möglichen Erscheinung ist durch eine Prüfung der Energiebilanz möglich.
Typische Anwendungen
Typische Anwendungsgebiete der expliziten Lösung sind
- Stark nicht lineare quasi-statische Probleme
- Kurzzeitdynamik
- Beanspruchungen vorwiegend als Membranspannung vorhanden (Integration im Element)
- Materialversagen mit Bauteiltrennung
- Traglastberechnung im Bereich nach Versagen
- Fluid-Struktur-Interaktion (FSI)
- ALE (arbitrary Lagrangian Eulerian), SPH (smoothed particle hydrodynamics, siehe auch wikipedia:SPH), EFG (element-free Galerkin) etc.
Sonstige Begriffe
Die Alternative zur expliziten Lösung ist die implizite Lösung.