Kantenlängenverhältnis
Aus ESOCAETWIKIPLUS
engl: aspect ratio Kategorie:
Level 3 Theorie Vernetzung
Das Kantenlängenverhältnis ist das Längenverhältnis der längsten Kante eines Elementes zur kürzesten Kante des Elementes bei einer FEM-Simulation mit ebenen Elementen und Volumen-Elementen. Das Kantenlängenverhältnis wird als eines der Kriterien für die Netzqualität verwendet, also die Qualität des Element-Netzes, das bei der Diskretisierung erzeugt wurde.
Ein Kantenlängenverhältnis von 1,0 und Eckwinkel von 90° sind optimal. Ein davon abweichender Wert hat Auswirkungen auf die Genauigkeit der Lösung der Werte innerhalb der Elemente (Dehnungen, Spannungen in der Strukturmechanik). Einen abweichenden Wert kann man zulassen, wenn man den zu berechnenden Verlauf der Verschiebungen vorher erkennen kann. Ein zulässiger Grenzwert kann nicht genannt werden. Die Grenze ist fall-spezifisch und vom Anwender festzulegen.
Insbesondere bei der expliziten Lösung einer Simulation ist das Kantenlängenverhältnis von Bedeutung für die Zeitschrittweite. Die kleinste Kantenlänge bestimmt die für die Stabilität erforderliche Zeitschrittweite. Daher sollte die Diskretisierung für eine explizite Simulation die kleinste Kantenlänge als Kriterium berücksichtigen.
Tips und Tricks
Bei der Diskretisierung schätzen Sie die Gradienten im Bauteil ab. Stellen Sie sich die Frage: "wo passiert was?". In den Richtungen, in denen "viel passiert" (hohe Gradienten auftreten), vernetzen Sie fein. In den anderen Richtungen, in denen "wenig passiert" (kleine Gradienten auftreten), können Sie grob vernetzen.
Beispiel: Klebschicht
Zwei Bleche sind flach aufeinander liegend mit einer Klebschicht verbunden. Die Dicke der Klebschicht ist gering im Verhältnis zu den Abmessungen der Bleche und der Blechdicke. Es soll die Strukturmechanik simuliert werden. Betrachten wir ein Beispiel mit Blechen, die 0,2 mal 0,2 m groß sind, 1 mm dick, verbunden mit einer Klebschicht von 0,001 mm Dicke. Bei der Diskretisierung ist es durchaus angemessen,
- für die Bleche Volumen-Elemente mit Kantenlängen von 0,2 mm (also 5 über die Dicke) und
- für die Klebschicht Volumen-Elemente mit Kantenlängen in der Ebene von 0,2 mm und 0,001 mm (also Teilung 1) über die Dicke
zu verwenden.
Beispiel: Zimmer-Heizkörper
Ein Zimmer-Heizkörper wie rechts in der Abbildung dargestellt. Hierfür soll das Temperaturfeld berechnet werden. Die Wandung hat Abmessungen von ca. 1 [m] in der Fläche bei einer Dicke der Wandung von ca. 1 [mm], also 0,001 [m]. Die Frage: "wo passiert was" ergibt hier:
- in Richtung der Dicke der Wandung - also von innen nach außen - findet die Wärmeabgabe vom Wasser (innen) zur Raumluft (außen) statt. In dieser Richtung "passiert viel" (hohe Gradienten treten auf).
- in der Fläche gibt es relativ geringe Gradienten (es "passiert wenig").
Ein FEM-Modell kann für die Wandung durchaus angemessen diskretisiert sein mit Volumen-Elementen, die
- in Richtung der Dicke der Wandung Kantenlängen von deutlich weniger als 1 [mm] und
- in der Fläche Kantenlängen von ca. 10 [mm] haben.
Ein solches Kantenlängenverhältnis von mehr als 10
- wird kaum numerische Probleme bereiten: auch wenn die Kantenlängen in die Zahlenwerte auf der Hauptdiagonalen der Steifigkeitsmatrix eingehen und das Verhältnis deren Zahlenwerte zueinander (Steifigkeitsverhältnis) und damit den Rundungsfehler beeinflussen, ist die Größenordnung (101) weit unterhalb von bedenklichen (108) oder gar gefährlichen (1012) Größenordnungen,
- wird durch die Ansatzfunktionen der Volumen-Elemente akzeptiert und
- wird von der Software wahrscheinlich als "unüblich" oder "unnormal" erkannt: meistens wird dann eine Warnung gemeldet, die zur Kenntnis genommen und akzeptiert werden kann.