Genauigkeit

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engl: accuracy, precision          Kategorie: Aa-leerbild.jpg Level 2 Methoden Theorie Praxis


Allgemeine Informationen hierzu finden Sie zum Beispiel bei wikipedia:Genauigkeit

Inhaltsverzeichnis

Simulation

Die Genauigkeit einer Simulation ist insbesondere davon abhängig, dass

Diese Einflüsse betreffen die Genauigkeit der Simulations-Ergebnisse in Bezug auf die Realität (Simulation <-> Realität).

Im Vergleich von Simulations-Varianten untereinander (Simulation <-> Simulation) sind nur die Einflüsse bei der Lösung wirksam, solche Vergleiche sind sehr gut verwendbar.

Hier werden nur die Einflüsse von systematischen Abweichungen (Näherungen, Annahmen, Unschärfen, Vernachlässigungen) auf die Genauigkeit - also die Abweichung von einer "richtigen" Lösung - betrachtet. Auch wenn diese systematischen Abweichungen bewusst in Kauf genommen werden, wird oft von Fehlern gesprochen (Achtung: Missverständnisse möglich).

Dabei wird davon ausgegangen, dass die Simulation handwerklich korrekt und bestmöglich ausgeführt wird, dass also die Qualifikation der Anwender ausreichend ist und organisatorisch und methodisch alle Qualitätsanforderungen erfüllt sind.

Hier wird NICHT der Einfluss von irgendwelchen ungewollten Fehlern wie Eingabefehler oder Wissenslücken auf die Genauigkeit betrachtet.

Für alle im Folgenden genannten Schätzungen sind Erfahrungswerte verwendet worden. Im Einzelfall können durchaus andere Werte gerechtfertigt sein.

Ablauf der Simulation und Einflüsse auf die Genauigkeit

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Schritt 1: Idealisierung

Durch die Idealisierung wird aus der Realität, also dem realen Bauteil, ein abstraktes gedankliches System und schließlich eine ideelle Vorstellung. Für die Simulation wird daraus ein Simulationsmodell entworfen. Die Wahrnehmung der Realität und die Informationen über den realen Sachverhalt ("ich verstehe das Bauteil so..") gehen hier ein ebenso wie die Möglichkeiten und Ziele der Simulation ("das möchte ich berechnen..", zum Beispiel Verschiebung, Spannung, Rückfederung, Blechdicke, Stromstärke,..). Bereits hier wird über Vereinfachungen und Abstraktionen entschieden. Dabei müssen vom Anwender zahlreiche Annahmen getroffen, Unschärfen in Kauf genommen und Vernachlässigungen vorgenommen werden. Dieser Schritt ist ausschließlich vom Fachwissen des Anwenders abhängig.

Die Annahmen betreffen zum Beispiel die Form des Bauteils, die Materialeigenschaften und das Verhalten des Materials bei Belastung. Für die Lagerungen und Schnittgrößen werden vereinfachende Annahmen getroffen und Details vernachlässigt. Für alle diese Parameter gibt es eigentlich eine Bandbreite (einen Toleranzbereich), der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auftritt. Diese Streuung und ihren Einfluss auf die Genauigkeit zu untersuchen wird Robustheits-Untersuchung genannt.

Erfahrungsgemäß ist der Einfluss der Entscheidungen bei der Idealisierung sehr hoch (5..100%).

Schritt 2: Diskretisierung

Bei der Diskretisierung wird eine Näherung des Kontinuums zugrunde gelegt, die zu einer Abweichung durch den Diskretisierungsfehler führt. Der Einfluss auf die Genauigkeit ist vom methodischen Wissen des Anwenders geprägt. Aus der Modellvorstellung ist das numerische Simulationsmodell zu erstellen. Entscheidungen sind zu finden in Hinsicht auf

Erfahrungsgemäß sind die Einflüsse der Diskretisierung moderat (2..10%).

Schritt 3, 4: Lösung, Auswertung

Bei der Lösung durch die verwendete Software ergeben sich numerische Einflüsse durch die Näherungen, die in den programmierten Algorithmen enthalten sind, und den Rundungsfehler. Bei der Auswertung der Ergebnisse ergeben sich zum Beispiel bei der FEM für die Freiheitsgrade und die daraus abgeleiteten Ergebnisse wie Spannungen in der Strukturmechanik systematische Einflüsse (vergleiche hierzu das entsprechende FEM-Statement). Bei der Lösung ist der Einfluss auf die Genauigkeit von der Software und von der Rechner-Hardware geprägt, aber auch von Einwirkungsmöglichkeiten des Anwenders (zum Beispiel von Einstellungen wie Konvergenzgrenzen). Bei der Lösung können zum Beispiel

Erfahrungsgemäß sind die Einflüsse der Lösung sehr gering (0..2%) und diejenigen der Auswertung gering (0..5%).

Schritt 5: Bewertung

Bei der Bewertung der Simulationsergebnisse wird ein Vergleich zu Messwerten oder zulässigen Grenzwerten hergestellt. Hierbei ist das Fachwissen des Anwenders gefordert.

Erfahrungsgemäß ist der Einfluss der Entscheidungen bei der Bewertung moderat bis hoch (5..20%).

Schritt 6: Validierung

Bei der Validierung werden die Simulationsergebnisse mit den Ergebnissen der Realität verglichen. Als Realität ist das tatsächlich vorhandene technische Systeme oder eine entsprechende Testanordnung zu verstehen. Hierbei ist das Fachwissen des Anwenders gefordert, um zum Beispiel vergleichbare Größen und Bedingungen auszusuchen.

Erfahrungsgemäß ist der Einfluss der Entscheidungen bei der Bewertung moderat bis hoch (5..20%).

Beispiele

Die Bandbreite der Genauigkeit, die für die folgenden Beispiele genannt oder abgeschätzt werden kann, ist riesig. Die Beispiele sind bewusst dazu ausgewählt worden.


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Getriebegehäuse eines Traktors

Die Abbildung rechts zeigt das Getriebegehäuse eines Traktors. Das Getriebe ist am Motor montiert. Das Getriebegehäuse mit den Halbachsen trägt die Lasten, die auf die beiden Antriebsräder wirken. Dadurch ist seine mechanische Festigkeit von besonderer Bedeutung für die Betriebssicherheit.


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Für eine Auslegungsberechnung der mechanischen Festigkeit wird eine statische Simulation eines maßgebenden Lastfalles durchgeführt. Dazu wird zunächst eine grobe Diskretisierung mit Volumen-Elementen mit Kantenmittenknoten gewählt. Diese grobe Diskretisierung ist in der Abbildung rechts dargestellt.

Die Simulation zeigt im Bereich dieser Verrundung relativ hohe Spannungen. Für die Bewertung wird hier eine ausreichende Genauigkeit der Ergebniswerte gefordert. Für die Betriebsfestigkeit kann zum Beispiel die maximale von Mises Vergleichsspannung an der Bauteil-Oberfläche verwendet werden.

Daher wird eine weitere Simulation mit einer lokalen Netzverfeinerung durchgeführt. Dabei wird in dem Bereich der Verrundung eine feinere Netzaufteilung eingestellt. In der Abbildung rechts ist diese geänderte Aufteilung im rechten Teilbild dargestellt.


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Die Abbildung rechts zeigt die Verteilung der Vergleichsspannung. Das Modell mit der groben Netzaufteilung zeigt einen Maximalwert von etwa 40 MPa, die feine Netzaufteilung von etwa 70 MPa. Die Genauigkeit der Spannungswerte kann aus der Variation innerhalb eines Elementes abgeleitet werden. Bei der groben Netzaufteilung deutet dies auf eine Genauigkeit von etwa 30..40% hin, bei der feinen Netzaufteilung auf etwa 2..5%. Im Vergleich der Spannungen ist der Einfluss der Netzfeinheit auf die Genauigkeit deutlich erkennbar (siehe dazu auch die FEM Statements). Die hier verwendeten Netzaufteilungen sind hier allerdings besonders extrem gewählt worden, um den Effekt zu verdeutlichen.

Näheres zu diesem Beispiel finden Sie auch bei cadfem.de/openhouse


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Baukran

Für den Baukran in der Abbildung rechts wird ein Festigkeitsnachweis mit einer FEM-Berechnung geführt. Die wichtigsten Ergebniswerte sind die Spannungen. Der Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann etwa so abgeschätzt werden:

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Fusschirurgie, Orthopädie

Für die Knochenstrukturen im Fuss soll die mechanische Beanspruchung simuliert werden, um prä-operativ einen chirurgischen Eingriff zu planen. Der Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann etwa so abgeschätzt werden:

In diesem Fall kann ein Vergleich verschiedener Simulations-Varianten sehr genaue Hinweise für eine günstige Operation geben.

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Turbinenrad

Für ein Turbinenrad soll die mechanische Beanspruchung im Betrieb in Hinsicht auf Gewaltbruch und Betriebsfestigkeit simuliert werden. Der Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann etwa so abgeschätzt werden:

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Behälter

Ein Behälter mit Querschnitts-Übergängen liegt außerhalb des Geltungsbereiches von geschlossenen Lösungen (Regelwerks-Formeln) und wird mit FEM für einen Innendruck-Lastfall simuliert. Bei einem Experiment werden Spannungen mit Messstreifen gemessen. Das Material bleibt elastisch. Der Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann etwa so abgeschätzt werden:

In diesem Fall kann eine hohe Genauigkeit für die Spannungen im Vergleich mit dem Experiment erwartet werden.

Behälter Berstversuch

Für den Behälter mit Querschnitts-Übergängen, der bereits vorher durchdacht wurde, soll die Versagensgrenze durch einen Berstversuch festgestellt werden. Bei dem Experiment wird der Innendruck solange gesteigert, bis "es knallt", also bis irgendwo ein Leck oder ein Riss entsteht. Eine FEM-Simulation dieses Versuches ist mit hohen Unsicherheiten behaftet, weil viele ideale und theoretische Annahmen zugrunde liegen. Die Abschätzung sieht etwa so aus:

In diesem Fall kann nur eine geringe Übereinstimmung mit dem Experiment erwartet werden. Im technischen Alltag wird deswegen immer der Versuch vorgezogen, eine Simulation eines Berstversuches ist selten und unüblich.

Numerische Genauigkeit und Reproduzierbarkeit

Wenn in einer Zeitverlauf-Simulation auch Nichtlinearitäten wie Kontakt enthalten sind, kann das Ergebnis durchaus sensibel auf kleine Änderungen der Eingabewerte reagieren. Dies wird bei Zeitverlauf-Simulation_Kontakt_Genauigkeit weiter im Detail erläutert.

Hintergrund für die Schätzwerte

Für alle diese Schätzungen sind Erfahrungswerte verwendet worden. Im Einzelfall können durchaus andere Werte gerechtfertigt sein.

Für die Materialdaten sind statistische Streuungen zu berücksichtigen. Sie werden vielfach der allgemeinen Literatur entnommen. Solche Best estimate-Werte können vom aktuell vorliegenden Material abweichen. Wenn die Daten aus Regelwerken entnommen werden, sind es oftmals garantierte Mindestwerte, die also deutlich auf einer Seite des Streubereiches liegen, vergleichen Sie hierzu die Anmerkungen zu den Festigkeitskennwerten. Eine Abhängigkeit von der Temperatur oder anderen Größen kann eine Rolle spielen. Der Einfluss einzelner Werte auf die Ergebnisgrößen der Simulation (Sensibilität) ist unterschiedlich. Die Grenzen der Schätzwerte sind gegeben durch genau für das vorliegende Bauteil gemessene Werte (0%) und eine Bandbreite für übliche (..5%) und wenig erforschte Materialien (..20%).

Bei den Randbedingungen werden Lagerungen zwar durch die Bedingung des vorgegebenen Wertes (zum Beispiel "Verschiebung gleich Null") genau, aber oft durch die Position oder die Verteilung am Bauteil (punktförmig, verteilt) angenähert simuliert. Die Last wird oft höher aufgebracht, um ein auf der sicheren Seite liegendes Ergebnis zu bekommen. Die Grenzen der Schätzwerte sind gegeben durch genau idealisierte (0%) und angenähert oder abdeckend idealisierte (..100%) Randbedingungen.

Durch die Diskretisierung des FEM-Modells stellt das Modell eine Näherungslösung der Realität dar. Diese Näherung wird umso genauer je mehr Elemente verwendet werden (vergleichen Sie dazu den Grundsatz 1. Die Ergebnisse werden mit wachsender Anzahl von Elementen besser). Heutzutage ist es üblich, eher zu fein zu vernetzen. Die Grenzen der Schätzwerte sind gegeben durch ein fein diskretisiertes Modell (1%) und ein ungeschickt diskretisiertes Modell mit dazu ungünstigen Ergebnisgrößen (..10%).

Der Rundungsfehler bei der numerischen Lösung bleibt durch hohe Bit-Breite der Zahlendarstellung im Rechner und meistens automatische Warnungen bei schlechter Konditionierung gering: (0..0,1%).

Bei der Auswertung von FEM-Ergebnissen werden aus den direkt berechneten Freiheitsgraden weitere Werte wie - z.B. in der Strukturmechanik - die Dehnungen und Spannungen berechnet. Zur grafischen Darstellung werden diese dann extrapoliert. Die Grenzen der Schätzwerte sind gegeben durch ein fein diskretisiertes Modell, bei dem direkt die Freiheitsgrade ausgewertet werden (0%) und ein ungeschickt diskretisiertes Modell mit dazu ungünstigen Ergebnisgrößen (..2%).

Bei der Bewertung der Ergebnisse der Simulation werden zulässige Werte aus Regelwerken oder Zielwerte gegenübergestellt. Auch bei diesen Größen sind Ungenauigkeiten oder konservative Annahmen üblich. Die Grenzen der Schätzwerte sind gegeben durch einen einwandfrei gemessenen Testwert (0%) und einen mit Sicherheits-Zuschlägen erhöhten Vergleichswert (..30%).

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